Heimatliebe ist wie ein sanftes Streicheln

Berlin, ick lieba dia!

So viel ist dieser Tage von Volk und Heimatliebe, also Patriotismus, die Rede, dass man denkt, es sei der neueste Werbeslogan für Aufmerksamkeit und Wahlerfolg.

Heimat hat dann so einen faden Nachgeschmack von Manipulation: Gefühligkeit wird missbraucht, um falschen Ideen zur Macht zu verhelfen.

Also, ich bin gerne Deutscher:

  • unsere umständliche Art, miteinander zu reden: unser Volksdichter Loriot konnte dazu herrliche Sketche ersinnen über uns deutsche Umstandskästen
  • unser Organisationstalent für alles und jedes: wir haben sicher die Couch erfunden – und die dämlichen Kommentare mit Schnittchen am heimischen Fernseher
  • die deutsche Art zu arbeiten: ‚Deutsche Wertarbeit‘ ist ein internationaler Begriff

Heimat ist, wenn wir unsere Umgebung selbstverständlich aufnehmen: die Berliner Luft, unser Leitungswasser in Tee und Kaffee, die Berliner Stullen, Bouletten und Currywürste; dabei erneuern wir unseren Körper – und ersetzen alle Moleküle bis zu dreimal in einer Lebenszeit.

Aufgrund unserer Geschichte haben wir in der ehemaligen Mauerstadt besonders zu kämpfen mit dem Begriff ‚Heimat‘: die Einschusslöcher sind unübersehbar, seit mehr als sieben Jahrzehnten; im Südosten die Stasi-Altlasten, im Südwesten die Steinreichen, im Nordwesten die vor sich hin dümpelnde Hertha, in Mitte die neureichen Schwaben.

Eine vielfach geteilte Stadt: sind sooo kleine Kieze und Biotope.

Und doch:

Da kam Christo 1995 nach Berlin und verpackte den Berliner Reichstag. Einfach so, ein frischer Franzose. Halb Berlin fand das ziemlich doof – und kam dann doch und sah und freute sich: die ausgelassene Volksfeststimmung ist noch allen in Erinnerung. Volksfeste ohne Fressen und Saufen, ohne Eigennutz und Pomp: friedlich in Freiheit.

Und dann:

Wir wurden endlich wieder Weltmeister. Mario Götze schoss uns im Sommer 2014 zum Sieg. Und bei uns sollten die Helden dann feiern. Ganz Berlin nöllte wieder einmal: na, dann soll’n se doch!

Und wer hing dann den ganzen Vormittag am Fernseher? Und wo hingen die Berliner Werktätigen? Sogar in der Firma sahen wir live den ‚Siegerflieger‘ der Lufthansa.

Und staunten wie Bolle einst zu Pfingsten. Und wie schön und friedlich und selbstverständlich war diese schöne Feier: kein klingendes Spiel der Bundeswehr am Brandenburger Tor! Nein, unsere Helden tanzten ganz harmlos.

Heimatliebe ist ein großes warmes Geschenk Gottes an uns: nur in Frieden und Freiheit ist sie möglich – und für alle da! Sie will niemanden ausschließen, weil jeder eine Heimat hat und verdient!

 

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