Pfingsten und das Apostelkonzil

Pfingsten und die Einheit der Kirche: das Apostelkonzil in Jerusalem

Berlin, 1.Juni 2020

Halten wir inne und fragen wir uns: was hält die katholische Kirche im Innersten zusammen? Was macht sie so stark, dass sie alle Stürme der Zeit überstanden hat und als einzige Institution eine Brücke vom Altertum bis in unsere Neuzeit darstellt?

Es scheint: kein menschlicher Grundsatz kann ihr zugrunde liegen – etwas Außerirdisches gehört zum Bauplan.

Schauen wir uns genauer an, was es mit dem Apostelkonzil von 48 nach Christus in Jerusalem auf sich hat.[1]

 

  1. Kreuzigung Jesu Christi durch die römische Besatzungsmacht

Es war die römische Besatzungsmacht, die Jesus Christus kreuzigte. Genauer gesagt, war es der Statthalter Roms in der römischen Provinz Judäa, Pontius Pilatus.[2]

Seit dem Jahre 6 nach Christus war das jüdische Land Israel Teil des Imperium Romanum.[3] Das heidnische Volk der Römer beließ den Juden ihre Religion, aber nahm ihnen das ius gladii, also das Recht, die Todesstrafe für besondere Vergehen auszuführen.

Es waren Juden, die Jesus Christus an die Römer auslieferten, damit er gekreuzigt würde, wie es uns im Neuen Testament berichtet wird, allen voran der Verräter Judas Iskariot.[4]

 

Schon am Anfang des Christentums steht unerbittlicher Hass: der Neid einiger Juden auf den verheißenen Messias Jesus Christus. Und die skrupellose Unerbittlichkeit der heidnischen Besatzungsmacht, die sich für die religiösen Interessen der Untertanenvölker herzlich wenig interessierte. Das wäre schon schwierig genug, um überhaupt zu vermitteln.

Nun aber wird es noch schwieriger: der Messias ist das „Licht der Völker“[5], der sich mit seinem Tod nicht nur für die Juden aufopfert, sondern auch für die heidnischen Römer.

Jesus Christus selbst durchkreuzt buchstäblich menschliche Macht- und Ränkespiele, indem er allen Spaltungen und Parteiungen die Kraft nimmt.

Nein, es geht nicht um die guten Juden gegen die bösen Römer. Oder umgekehrt um die bösen Juden (Judas Iskariot) gegen die guten Römer (Hauptmann Kornelius). Es geht um das Heil für alle Völker: Juden und Heiden.

 

  1. Das Pfingstwunder im Judentum

Fünfzig Tage nach dem Paschamahl mit Jesus Christus, also nach seinem Tod am Kreuz, geschah etwas, das alle bisherigen Feindschaften im Judentum selbst aufbrach.

In Jerusalem strömte eine Menge von Menschen zusammen, „Juden und Proselyten“[6], die alle zu den unterschiedlichsten Völker gehörten.[7]

Proselyten waren dabei Heiden, die sich, wenn dem männlichen Geschlecht zugehörig, beschneiden ließen und die jüdische Religion annahmen.[8]

Wir müssen allerdings beachten, dass das Pfingstwunder genau diejenigen Völker zu frommen Gottesverehrern des Einen Gottes machte, die vorher in tiefer Feindschaft zum jüdischen Volk standen.

Allen voran nennt der Evangelist Lukas „Parther, Meder und Elamiter“ sowie „Bewohner […] von Ägypten […] Römer […] und Araber“[9].

Jeder fromme Jude muss bei diesen Völkern erst einmal tief aufatmen, denn alle diese Völker bedrängten, ja versklavten jüdische Volksgenossen.

Denken wir nur an die Flucht der Kinder Israel aus Ägypten vor der Tyrannei Pharaos, die Verschleppung nach Babylonien und nicht zuletzt die römische Drangsal.

Und nun: Friede, Freude und Heiliger Geist?

 

 

  1. Petrus ging in das Haus des römischen Hauptmanns Kornelius[10]

Es war Petrus nach jüdischer Sitte eigentlich nicht gestattet, das Haus eines Heiden zu betreten. Beachten wir, dass die Hohepriester, die Jesus Christus an den heidnischen Römer Pontius Pilatus auslieferten, dessen Haus nicht betraten.

Die jüdischen Priester standen draußen vor dessen Haus – und sprachen mit dem gefürchteten Handlanger Roms.

Begründet kann diese Handlungsweise mit der Torah werden, in welcher es über die Ammoniter und Moabiter heißt: „Niemals dürfen ihre Nachkommen in die Versammlung des HERRN kommen“[11].

Nehemia ordnete beim Wiederaufbau Jerusalems die Trennung der Juden von den Fremdstämmigen an: „aus Israel [sonderte man] alle Mischvölker aus.“[12]

Bedenken wir auch: keine zwanzig Jahre voher wurde Petrus Zeuge, wie römischen Soldaten seinen Messias Jesus Christus umgebracht hatten.

Und nun also betrat der fromme Jude Petrus das Haus des römischen Hauptmanns Kornelius, von dem es hieß, er befehlige die „Italische Kohorte“[13].[14]

Er missachtete also die fromme Sitte, heidnische Häuser zu betreten, weil er eine Vision gehabt hatte, die ihm der Heilige Geist schenkte. Ausdrücklich wird von Gott, dem Heiligen Geist, gemahnt: „Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein!“[15]

 

Es ist also Gott, der den Bund Israels erweitert und die Heidenvölker mit einbezieht.

 

 

  1. Saulus wurde zum Paulus: von der Steinigung des Stephanus zur Bekehrung der Heidenvölker

Der junge Pharisäer Paulus, der sich für Israel und für seine Gesetzesauslegungen entschieden einsetzte, bekehrte sich schließlich zu Jesus Christus. Paulus schreibt selbst: „mit dem größten Eifer setzte ich mich für die Überlieferungen meiner Väter ein.“[16]

Und wie es so ist: sein falscher Eifer führte ihn zum Hass auf diejenigen, die ihm im Wege zustanden, zum Beispiel auf den jüdischen Diakon Stephanus.[17]

Paulus war an der Steinigung des jungen Diakons beteiligt, denn zu seinen Füßen legten die Lynchmörder ihre Kleidung ab.[18]

Saulus wurde zum Paulus und wollte nicht länger gegen den Messias Jesus Christus hetzen. Er ging noch viel weiter und setzte sich für die Mission unter den Heiden ein.

Erst konnte ihm der jüdische Glaube nicht eng genug sein, dann wollte er andere Ufer erreichen.

Wie wir sehen, ist im damaligen Judentum wie auch unter den Christen eine Menge Bewegung im Spiel.

 

  1. Der Dritte im Bunde: Jakobus

Jakobus ist der Bruder unseres Herrn Jesus Christus.[19] Er war ein gläubiger Jude, auf den sich einige Christen beriefen, um die Beschneidung auch der Heiden zu fordern.

Paulus nennt sie im Galaterbrief „einige von Jakobus“[20]. Jakobus gilt als derjenige, der am meisten am Gesetz Israels fest hielt.

 

  1. Nur Juden bestimmten über die Heidenmission

Alle genannten Teilnehmer des Apostelkonzils waren beschnittene Juden: Paulus und Barnabas sowie Petrus und Jakobus.[21]

Paulus nennt als seinen Begleiter am Konzil einen Griechen namens Titus, der nicht „gezwungen [wurde], sich beschneiden zu lassen.“[22]

In der jüdischen Hauptstadt Jerusalem bestimmten also die Stammesgenossen Jesu über das Geschick der Heidenmission.

 

  1. Dekret des Apostelkonzils

Wörtlich heißt es: „Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden.“[23]

Damit wollen die Apostel nur die geringsten Forderungen des so genannten Heiligkeitsgesetzes aus der Torah, den fünf Büchern Mose, erfüllt wissen.

Grundsatz ist hier: „Denn das Leben des Fleisches ist im Blut.“[24]

Deshalb galt es als besonders schändlich, wenn sich Israeliten mit Blutsverwandten bis zum vierten Grad[25] verbanden – eine rechtsgültige Ehe war somit mit Blutsverwandten nicht möglich.[26]

Weil das Blut das Leben des Fleisches ist gilt ebenfalls der Grundsatz: „Das Blut irgendeines Wesens aus Fleisch dürft ihr nicht genießen; denn das Leben aller Wesen aus Fleisch ist ihr Blut. Jeder, der es genießt, wird ausgemerzt werden.“[27]

 

 

 

  1. Jakobus und Paulus: Parallelen in I Kor 5

Da ist zum einen die von Jakobus genannte Unzucht, die nicht einfach nur außerehelichen Geschlechtsverkehr meint, sondern Blutschande.

Schon immer konnten sich die Bibelausleger fragen, weshalb der Völkerapostel Paulus so vehement den Ausschluss eines Blutschänders wollte, während es doch sicher ebenfalls andere Arten von Todsündern gab. Allgemein nennt er im fünften Kapitel des ersten Korintherbriefes das Wort ‚Unzucht‘ (griech: πορνεία), während er an dieser Stelle Blutschande meint, also Unzucht in besonders übler Gestalt.

Was ist also so besonders anstößig an demjenigen, der „mit der Frau seines Vaters lebt“[28]?

Paulus erklärt die besondere Unzucht der Sünde der Blutschande, also der sexuellen Vereinigung mit nahem Verwandtschaftsgrad, folgendermaßen: „Jede Sünde, die der Mensch tut, bleibt außerhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen Leib.“[29]

Denn er fragt die Korinther: „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?“[30]

Auch für Paulus gibt es also besondere Sünden, die so übel sind, dass er sofort eingreift und die Gemeinde in Korinth deshalb auffordert: „Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte!“[31]

Nicht nur in dieser Hinsicht stimmen der Herrenbruder Jakobus und der Heidenapostel Paulus zusammen.

 

Und da ist zum anderen die deutliche Warnung vor Götzenopferfleisch. Götzenopferfleisch ist Fleisch, das den heidnischen Göttern zum Opfer gebracht werden soll.

Es ist also in jedem Fall nach jüdischen Reinheitsvorstellungen nicht geschlachtet bzw. geschächtet worden.[32]

Götzenopferfleisch ist also Fleisch, das von einem Christen gegessen werden kann, aber nur dann, wenn es das Gewissen eines ungetauften Heiden nicht befleckt: „Wenn ihr euch auf diese Weise gegen eure Brüder versündigt und ihr schwaches Gewissen verletzt, versündigt ihr euch gegen Christus.“[33]

Wenn einem Christen von einem Heiden Götzenopferfleisch angeboten wird, soll der Christ dankend ablehnen, damit der Heide nicht denken kann, die Christen würden die heidnischen Götter anerkennen.

 

Und zum dritten ist es die Anwendung des alttestamentlichen Lehrsatzes auf den eucharistischen Herrn, wonach im Blut das Leben des Geschöpfes ist. Im Buch Leviticus steht geschrieben: „das Leben des Fleisches ist im Blut.“[34]

Hier erkennt Paulus auch einen geistlichen Zusammenhang zwischen der „Teilhabe am Blut Christi“[35], denn: „Ich will jedoch nicht, dass ihr Gemeinschaft mit Dämonen habt.“[36]

  1. Grundlage der Kircheneinheit: Vergebung im Blut Christi

Für einen frommen Juden ist der Genuss von Fleisch und Blut ein Gräuel, der praktisch unverzeihlich ist.

Das ist auch der Grund, warum die Juden damals so vehement dagegen protestierten, als Jesus Christus sprach: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“[37]

Das ist ein unmittelbarer Beweis dafür, dass die Judenchristen Jesus Christus nicht einfach als Menschen aus Fleisch und Blut verstanden, sondern als wahren Menschen und wahren Gott ansahen.

Dass der heilige Apostel Jakobus also das Heiligkeitsgesetz Israels zitiert, ist folgerichtig und durch den Apostel Paulus vollkommen bestätigt.

Und noch mehr wurde letzten Endes bestätigt: es gibt wahre Vergebung durch das Blut Jesu Christi, denn die ehemaligen Todfeinde der Juden wurden nun zu Freunden.

Und noch vielmehr: Die jüdischen Christen mussten den Römern vergeben, die Jesus Christus kreuzigten. Und die römischen Christen mussten den Juden vergeben, die Jesus Christus zum Kreuz verurteilten.

 

  1. Der Traditionsbegriff des Vincent von Lérins und das Aposteldekret

Der heilige Kirchenvater Vincent von Lérins stellte fest, dass katholisch sei, „was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde“[38](quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est)[39].

Es ist ius divinum, wenn das israelitisches Heiligkeitsgesetz Blutschande ausschließt. Eine Tradition, die auf das Gottesrecht selbst schließen lässt, ist tiefgegründet.[40] Mehr geht nicht: satis est!

 

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Apostelkonzil

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Pontius_Pilatus

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Krieg#Judäa_unter_römischer_Verwaltung

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Judas_Iskariot

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Lumen_gentium

[6] Apg 2,11a.

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Pfingsten

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Konversion_(Religion)#Judentum

[9] Apg 2,9-11.

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Hauptmann_Kornelius

[11] Dtn 23,4.

[12] Neh 13,3.

[13] Act 10,1.

[14] https://www.die-bibel.de/lightbox/basisbibel/sachwort/sachwort/anzeigen/details/italische-kohorte/ : eine Kohorte ist eine Hundertschaft, während eine Legion aus 1000 besteht.

[15] Act 10,15b.

[16] Gal 1,14b.

[17] Vgl. Act 8,1: „Saulus war mit seiner Ermordung einverstanden.“

[18] Vgl. Act 7,58b.

[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Jakobus_(Bruder_Jesu)

[20] Gal 2,12a.

[21] Vgl. Act 15.

[22] Gal 2,3b.

[23] Act 15,28.29a.

[24] Lev 17,11a.

[25] https://de.wikipedia.org/wiki/Blutsverwandtschaft

[26] Vgl. Lev 18,1-17.

[27] Lev 17,14b.

[28] I Kor 5,1c.

[29] I Kor 5,18b.c.

[30] I Kor 5,19a.

[31] I Kor 5,13b.

[32] https://de.wikipedia.org/wiki/Schächten

[33] I Kor 8,12.

[34] Dtn 17.11a.

[35] I Kor 10,16a.

[36] I Kor 10,20b.

[37] Joh 6,56.

[38] Commonitorium 2,5; zitiert nach: Vinzenz von Lérins, Commonitorium, kommentiert und herausgegeben von Michael Fiedrowicz, Mühlheim/Mosel 2011, 187.

[39] A.a.O., 186.

[40] https://de.wikipedia.org/wiki/Blutsverwandtschaft#Katholisches_Eherecht

Hinterlasse einen Kommentar