Über sakramentale und geistliche Kommunion

                                                                           Berlin, 7.Juni 2020

Mir gehen die Bilder nicht mehr aus dem Kopf: der leere Petersplatz, die grell-blauen Signalleuchten der Polizei und unser erschöpfter Heiliger Vater – Urbi et Orbi am 27.März 2020.[1]

Unheimlich: die gewaltigste und älteste Institution der Welt, über alle Nationen hinweg, fast anderthalb Milliarden Mitglieder – liegt seltsam ohnmächtig am Boden, quasi blutleer.

Sicher: der Corona-Virus ist nicht zu unterschätzen, staatliche Schutzmaßnahmen müssen sein.

Aber eine Kirche, die dem vollkommenen Verbot von öffentlichen Gottesdiensten freiwillig, ohne äußeren Zwang, mit Applaus und ohne nennenswerten Protest zustimmt? Selbst zur Zeit der schlimmsten Epidemie in Europa, dem Schwarzen Tod[2], als ein Drittel der Menschen in Europa ausgerottet wurde, fand Ostern statt.

Ja, Ostern fand seit Golgatha immer statt, weil es immer Christen gab, die sich vom Feiern der Heilstat Jesu Christi nicht abhalten ließen.

‚Ohne den Sonntag können wir nicht leben‘[3]: Sine Dominico non possumus, war der Wahlspruch der Märtyrer, die sich niemals den Gottesdienst nehmen ließen.

Und der Heilige Vater? Sein Freund, Andrea Riccardi, der Gründer von Sant’Eggidio, schrieb noch am 8.März 2020 dieses Diktum in einer großen Tagesszeitung[4] – ich hoffte, es sei die Meinung des Heiligen Vaters selbst.

 

Wie tief sind wir gesunken, wenn wir nicht alle freudig in die Kirche rennen, um Jesus Christus höchstselbst im Tabernakel zu bestürmen, die Not zu wenden?

Wie krank sind wir, dass wir keine Bittprozessionen veranstaltet haben, spätestens als das Demonstrieren wieder erlaubt wurde?

Und wie zutiefst verkommen sind wir, wenn alle Bürger für alles demonstrieren dürfen – und wir Fronleichnam feiern könnten? Natürlich draußen, natürlich zu Tausenden. Es ist längst vom Staat her erlaubt. Aber wir tun es nicht.[5]

 

Vergegenwärtigen wir uns, warum die Heilige Messe als öffentlicher Gottesdienst so bitter notwendig ist.

 

  • Das Sakrament der Eucharistie ist heilsnotwendig

 

Jesus Christus ist gekommen, die Sünder zu heilen, nicht die Selbstgerechten. Durch seinen Leib und sein Blut werden wir heil.

ER macht uns gesund, weil ER das Heilmittel zur Unsterblichkeit ist: pharmakon athanasias.

Nicht umsonst befiehlt Jesus seinen Jüngern: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.“[6]

Dieser Befehl Jesu gilt kategorisch, es gibt keine Ausnahmen.

Deshalb befiehlt die Katholische Kirche ihren Mitgliedern die Osterkommunion: es ist ein Befehl, das als Gebot formuliert wird.

Es heißt im dritten Kirchengebot: „Du sollst wenigstens zur österlichen Zeit sowie in Todesgefahr die heilige Kommunion empfangen.“[7]

 

Und warum nun wurde Jesu Blut für uns vergossen?

Jesus sagt es uns selbst: „Trinkt alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“[8]

Dieses Blut ist in der heiligen Eucharistie gegenwärtig: wer Sünder ist und heil werden will, braucht es, denn es ist heilsnotwendig.

 

  • Das Zweite Vatikanum: Lobpreis des öffentlichen Gottesdienstes

 

In höchsten Tönen wird dieses größte Sakrament der Kirche gepriesen – genau von dem Konzil, das vor mehr als fünfzig Jahren stattfand.

In denkbar größter Einmütigkeit bekannten die Konzilsväter: „die Liturgie [ist] der Gipfelpunkt, zu dem das Tun der Kirche strebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt.“[9]

Ja, Jesus Christus selbst hat sich als die Quelle des lebendigen Wassers bezeichnet: „wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt.“[10]

Wir brauchen das Blut Jesu, um rein zu werden und die Frucht zu bringen, die wir in Liebe zu Gott vollbringen sollen.

Ohne die Reinheit durch das heilbringende Blut Jesu können wir die todbringende Neigung zur Sünde in uns nicht überwinden.

Es ist das Gewicht von Jesu Kreuzestod, welches die Waagschale zu unseren Gunsten bewegt; keines unserer Werke kann dies vollbringen – kein Gebet, keine geistliche Kommunion.

Wie Verdurstende müssen wir zu Gott eilen; das empfiehlt uns die Kirche.

Deshalb stellt das Konzil fest: „Aus der Liturgie also, besonders aus der Eucharistie, wird wie aus einer Quelle, die Gnade zu uns geleitet, und mit größter Wirksamkeit wird jene Heiligung der Menschen in Christus und die Verherrlichung Gottes erlangt, auf die alle anderen Werke der Kirche als auf ihr Ziel hinstreben.“[11]

 

  • Die Geistliche Kommunion im Trienter Konzil

 

Ein Herr Harm Klueting hat die Behauptung aufgestellt, dass „die Kirche in Ausnahmesituationen auch ohne Sakramente auskommen kann“[12] und beruft sich dabei auf das Tridentinum.

 

Niemand sollte den Wert der geistlichen Kommunion herabsetzen. Die armen Katholiken in Sowjetrussland mussten ohne sakramentale Eucharistie auskommen, natürlich.

Im angeblichen Arbeiterparadies des real existierenden Kommunismus waren öffentliche Gottesdienste praktisch bei Todesstrafe verboten und die Christen schwer verfolgt.

Jede religiöse Äußerung, gerade die der Geistlichen Kommunion, ist her zum Überleben des Glaubens nicht nur erwünscht, sondern notwendig. Natürlich.

Und?

Und: da gibt es eine eigene Rangordnung, die die Hochschätzung der sakramentalen Kommunion klar herausstellt.

Es kann nur geistlich kommuniziert werden, wenn das Blut Jesu mindestens durch die Erstkommunion wallt. Ohne Blut Jesu gibt es keine echte katholische Geistliche Kommunion.

Denn nur das Blut Jesu macht uns rein. Das echte Blut Jesu in der echten sakramentalen Kommunion. Und wer die Erstkommunion nicht empfangen konnte, weil das Christentum in seinem Lande schwerste Verfolgung erleidet, bekommt Jesu Gnade ebenfalls. Aber er bekommt nicht die sakramentale Gnade: er bekommt ein Gnadengeschenk, aber nicht das ganze Geschenk der Gnade in seiner Fülle.

 

Die Väter des heiligen Trienter Konzils sprachen von dreierlei Arten des Eucharistieempfangs – genau drei Stufen.

Die erste Stufe ist der sündhafte Empfang: „manche es lediglich sakramental genießen als Sünder“[13]. Hiermit ist gemeint, dass Todsünder sakramentale Gemeinschaft mit Jesus Christus haben.

 

Die zweite Stufe ist die reine geistliche Kommunion: „jene, die, jenes vor Augen gestellte himmlische Brot dem Verlangen nach essend“[14].

 

Und schließlich die wichtigste Hauptstufe: „die dritten aber zugleich sakramental und geistlich; es sind aber diejenigen, die sich zuvor so prüfen und herrichten, daß sie, mit dem Hochzeitsgewande angetan, zu diesem göttlichen Tische hinzutreten“[15].

 

Mit dem Hochzeitsgewande kann nur gemeint sein, dass es diejenigen Christen sind, die durch die anderen Sakramente der Taufe, Firmung und besonders der Beichte in notwendiger Weise disponiert sind.

 

Die geistliche Kommunion ist also wichtig und richtig, aber niemals die Vollgestalt der Gnade, die die heilige Eucharistie schenkt.

 

Das Blut Jesu in der Kommunion ist letztlich durch nichts Anderes zu ersetzen. Warum sollten wir dieses Geschenk durch etwas Minderwertiges ersetzen?

 

 

  • Die Not der Kirche: selbst gemacht

 

Eine Kirche, die sich selbst ihrer Sakramente ohne wahrhafte äußere Not beraubt, kann nicht den vollen Segen Gottes in der Geistlichen Kommunion erwarten.

 

Eine Kirche, die auf der Stufe eines kleinen Kindes verharrt, das noch nicht einmal Fahrrad fahren kann, darf den Ferrari niemals besteigen.

Und eine Kirche, die ohne jede Not, sich selbst der Sakramente beraubt, kann nicht auf den Segen Gottes irgendwie hoffen. Sie muss das Gericht Gottes fürchten.

 

Die kirchliche Bürokratie steht splitterfasernackt da: wie will sie den armen Erstkommunionkindern erläutern, warum sie ihnen monatelang das Allerheiligste vorenthält? Wie will sich den neu bekehrten Heiden erklären, warum sie das Bad der Wiedergeburt, ihre Taufe, nicht erhalten sollen?

Und die Firmlinge? Wir brauchen das Sakrament der Firmung gerade in den Zeiten der Corona-Krise, um den Anfechtungen bestehen zu können.

 

[1] http://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/urbi/documents/papa-francesco_20200327_urbi-et-orbi-epidemia.html

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzer_Tod

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Non_possumus

[4] https://www.corriere.it/cronache/20_marzo_08/coronavirus-sospensione-messe-cosi-c-rischio-sottovalutare-solitudine-aaa5aaa2-618d-11ea-8f33-90c941af0f23.shtml

[5] https://www.erzbistumberlin.de/medien/pressestelle/aktuelle-pressemeldungen/pressemeldung/news-title/bistumsgemeinschaft-erfahren-online-gemeinde-bildenfronleichnam-priesterweihe-und-priesterj/

[6] Joh 6,53b.54.

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchengebote

[8] Mt 26,27c.28.

[9] Konstitution über die heilige Liturgie, Sacrosanctum concilium, 10,1; zitiert: Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, hg. v. Peter Hünermann, Freiburg-Basel-Wien ³2012, 10.

[10] Joh 4,14.

[11] A.a.O., 11,2; ebd.

[12] https://www.nzz.ch/feuilleton/messe-ohne-eucharistie-in-not-braucht-kirche-keine-sakramente-ld.1557042

[13] DH 1648.

[14] Ebd.

[15] Ebd.

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