Und meine katholische Konversion vor 14 Jahren
Berlin, 30.Januar 2021
Vor dreißig Jahren schenkte mir Jesus Christus meine Bekehrung. Von heute auf morgen. Am heutigen Samstag vor 30 Jahren die Bekehrung mit erstem Gebet und am nächsten Morgen, dem Sonntag, zum dritten Mal im Leben in einem Gottesdienst.
Der erste Gottesdienst meines Lebens war meine eigene Taufe, mit meinem Bruder zusammen. Ein Abwasch quasi, mit einem Lebensjahr.
Der zweite Gottesdienst meines Lebens war die Konfirmation meines Neffen Thomas in Hamburg.
Es war also der dritte Treffer, sozusagen.
Und ich hatte Glück. Ich war evangelisch getauft, Katholiken kannte ich gar nicht. Erst später habe ich erfahren, dass die Mutter meiner Mutter katholisch war. Und ich lebte damals im Wedding, die eine Sammlung mit Büchern von Martin Luther hatte: die Calwer Lutherausgabe.[1]
Das war der ganze katholische Luther, der frühe, noch nicht reformatorische – besser gesagt: der fast noch ganze katholische Luther. Natürlich gibt es hier und dort etwas zu beanstanden.
Es ist nicht der Luther, in der verwegenen wie falschen Schrift ‚Vom unfreien Willen‘ von 1523, sondern es derjenige in den Frühschriften bis einschließlich 1521. Die Auslegung des Magnificat von 1521 soll sogar dem damaligen Papst gefallen haben, sagt man.
Erst gegen Ende meines Studiums erkannte ich den reformatorischen Luther, mit seinem unverzeihlichen Grobianismus gegen alles, was ihm nicht passte.
Und ich lernte gröbste Widersprüche kennen, z.B. die zwischen der Frühschrift 1523 ‚Warum Jesus ein geborener Jude ist‘, die vollkommen frei von jedem Antisemitismus ist – und der Schmähschrift von 1531 ‚Wider die Juden‘, die im Antisemitismus einem Hitler nicht nachsteht.
Während des Studiums musste ich erkennen: der größte Irrlehrer war für mich Rudolf Bultmann, der die gesamte christliche Lehre ‚entmythologisieren‘ wollte.[2] Und genau dieser Irrlehrer, so entdeckte ich, war Luther näher als der lutherische Pietismus, dem ich nahestand.
Gute Pietisten wie Adolf Schlatter[3] standen der Bibelauslegung, die ich liebte nahe. Luther hätte Bultmann gewählt.
Und dann kam es ganz dicke: die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), der ich damals zugehörte, stellte eine Studie mit dem Titel ‚Mit Spannungen leben‘ vor und wollte sogar gelebte Homosexualität segnen. Also nicht einfach fromme Homosexuelle, sondern beide zusammen – das homosexuelle ‚Paar‘ sollte die Segnung bekommen.[4] Das war 1996, zwei Jahre vor dem Ende meine Theologiestudiums.
Noch um 1991 erlebte ich die letzte Auseinandersetzung um die Ordination von Frauen zu Geistlichen in der Evangelischen Kirche von Schaumburg-Lippe, einer letzten Trutzburg aufrechten Luthertums.[5]
Ich konnte verstehen, dass die meisten Pfarrer verheiratet waren und gegenüber ihren Ehefrauen Rechenschatz geben mussten, warum Frauenkleider am Altar nichts zu suchen haben.
Aber nun Homosexualität? Keine zwei Prozent einer jeden Gesellschaft empfinden homosexuell.[6]
Wie also konnte so ein absolutes Außenseiterthema so tiefe Spuren innerhalb einer Kirche hinterlassen, die sich, wie Luther meinte, allein dem Wort Gottes (sola scriptura) verpflichtet sah?
War ich vielleicht in der falschen Kirche?
- Mein Anker in der Sturmflut: der Katechismus der Katholische Kirche
Immer wieder ertappte ich mich, wie ich im ‚Katechismus der katholischen Kirche‘(KKK) Antworten fand. Den KKK hatte ich schon lange in der Paperback Ausgabe. Ganz durchgelesen hatte ich ihn nie.
Aber die entsprechende Seite zur Homosexualität kannte ich. Die dogmatischen Termini waren mir geläufig, wenn auch fremd.
Die Kongregation der Glaubenslehre hat immer bekräftigt, „‘daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind‘“ (KKK 2357).
Und: „Sie sind in keinem Fall zu billigen.“(ebd)
Das ist die jahrtausendalte katholische Lehre, die letztlich auf die Verdammung von Sodom und Gomorrha zurückführt – für ihre damaligen himmelschreienden Sünden, worauf sich der KKK in einer Fußnote auf Seite 596 bezieht.[7]
- Sündenerkenntnis führt zur Morallehre
Als ich evangelisch war, ging es eigentlich immer um den Glauben: glaube ich überhaupt?
Ein kluger Mann namens Paul Hacker, der von Kardinal Ratzinger immer wieder gelobt wurde, hatte dazu ein Buch geschrieben mit dem Titel ‚Das Ich im Glauben bei Martin Luther‘[8].
Es geht letztlich bei Luther um die Selbstvergewisserung des Glaubens durch den Glaubenden selbst. Mit einem Wort: ich bin mein eigener Richter. So wie jeder Protestant letztlich sein eigener Papst ist, wie es Luther 1520 in seiner Schrift ‚An den christlichen Adel‘ ausdrückte: „‘Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt auszuüben.“[9]
In der katholischen Kirche ist es letztlich ein Nachfolger der Apostel, der mich im Beichtstuhl beurteilt, ein Priester.
Es ist ein von mir unabhängiges Urteil, ein actus iudicalis[10], wie es das heilige Trienter Konzil ausdrückt. Ich brauche mich also nicht selbst zu beurteilen, sondern bin frei vor Gott – und seinem objektiven Urteil. Nur über den Priester bin ich frei, nicht durch mich selbst.
Eigenartig für mich war: nur über die sakramentale Beichte machte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben wahrhaftig Gedanken über die Sünde.
Ich wusste, dass Onanie nicht gut ist: aber Sünde?
Das Bewusstsein von Sünde ist in meinen Augen eine dermaßen wichtige Angelegenheit, dass ich sagen würde: allein deshalb müsste ein jeder Vernunftbegabte katholisch werden!
Denn meine Sünde verstehen zu wollen, heißt: sich mit der Morallehre auseinanderzusetzen – was ist gut? Was soll ich tun?
Und ist es nicht das, was unserer Gesellschaft so bitter nottut: Menschen machen sich auf und fragen sich, wie sie ihrem Nächsten helfen und ihn lieben können?
Hier liegen wahre Schätze vergraben! Während Martin Luther letztlich verzweifelt war und Angst vor den guten Werken hatte, die er vermeintlich als ‚Werkgerechtigkeit‘ verdammte, brauchen wir Katholiken vor der Moral keine Angst zu haben.
Sie ist auf unserer Seite! Und sich über seinen Nächsten Gedanken zu machen: was kann schöner sein?
Gelobt sei Jesus Christus, der in seiner katholischen Kirche lebt und wirkt!
[1] Calwer Luther- Ausgabe in 10 Bänden: Amazon.de: Metzger, Wolfgang: Bücher
[2] Rudolf Bultmann – Wikipedia
[3] Adolf Schlatter – Wikipedia
[4] Mit Spannungen leben – EKD
[5] Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe – Wikipedia
[6] Homosexualität – Wikipedia
[7] Gebundene deutsche Ausgabe von 2005.
[8] Sarto Verlag – Das Ich im glauben bei Martin Luther Das ICH im Glauben bei Martin Luther 05-03-03
[9] „Alle, die aus der Taufe gekrochen“ | chrismon (evangelisch.de)
