Zweites Vatikanum
Berlin, 1.August 2021
- Vorbemerkung
Ja, Konzilien können sich nicht irren. Martin Luther hatte natürlich Unrecht, genauso wie einige traditionalistische pseudokatholische Gruppen, die ebenfalls das Zweite Vatikanum ablehnen.
Ich habe die Dekrete und Konstitutionen gelesen, auf Latein kursorisch: ich kann nichts Ketzerisches erkennen. Soweit, so gut: jedenfalls für meine Seele.
Das Zweite Vatikanische Konzil ist in mancher Hinsicht eher eine Vollendung des Tridentinischen Konzils, weil es zum einen die Volkssprache in die Liturgie wieder einführte – Volkssprache zur Zeit des heiligen Paulus war Griechisch, erst rund vierhundert Jahre später wurde es Latein.
Und zum anderen, weil es endlich Worte für die kirchlichen Gemeinschaften der Reformation fand, indem es sie als Teil der Kirche im weiteren Sinne einordnete: 450 Jahre nach dem Thesenanschlag Luthers von 1517, immerhin.
Was sind schon ein paar hundert Jahre bei einer zweitausendjährigen Institution, der ältesten der Welt? Geschenkte mehr als 25% ihres Bestehens, also fast Volljährigkeit bei einem Menschen, oder?
Neben den vielen guten Früchten ist es die eigentümliche Stellung, die das Konzil insgesamt im Laufe der Kirchengeschichte einnimmt. Alle anderen waren aus der Not herausgeboren worden, um Irrlehren zu benennen und zu verwerfen, ja zu verfluchen: anathema sit.[1]
Dieses Konzil ist nett, weil es auf die Welt zugeht, um einige Probleme der Kirche mit der Welt zu lösen, was dem Konzil tatsächlich gelingt. Aggiornamento heißt laut Wikipedia: „Anpassung an heutige Verhältnisse“[2].
Die zweiseitige Deutung klingt mit: biedert sich die Kirche an den Zeitgeist an oder räumt sie eigene Missverständnisse über die Welt beiseite?
Da Jesus Seiner Kirche Unfehlbarkeit in der Kirchenlehre versprach, ist es nicht möglich, dass die Buchstaben des Konzils falsch sind.
Und doch ist es möglich, dass Buchstaben fehlen, die nötig wären, um dem Auftrag eines Konzils, für Orientierung zu sorgen, zu erfüllen.
- Kinder und ihre Verhütung: ein Dauerbrenner
Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Vatikanums (1962-1965) veröffentlichte Papst Paul VI. seine Enzyklika Humanae vitae[3], in welcher er Verhütungsmittel als nicht mit der katholischen Lehre vereinbar erklärte.
Eigentlich war diese lehramtliche Erklärung im Gesamtzusammenhang der katholischen Lehre einfach alles, aber nicht überraschend. Zwar gewann die so genannte Anti-Baby-Pille[4] erst im Laufe der sechziger Jahre an Breitenwirkung, absehbar war der Dammbruch in Richtung Abkoppelung von Sexualität und Kinderwunsch schon viel länger.
Viele andere äußerten sich vorher, insbesondere mein Lieblingspapst Pius XI. in seiner so wichtigen wie weitsichtigen Enzyklika Casti Connubii vom 31.12.1930.
Dieser so wunderbare Heilige Vater, dem wir die hellsichtige Enzyklika Cura ardenti (‚Mit brennender Sorge‘)[5] gegen die Nazi-Barbarei verdanken, hat schon in den dreißiger Jahren deutliche Worte gefunden:
Er schreibt dort glasklar vom ehelichen Akt, dass dieser „seiner Natur nach zur Weckung neuen Lebens bestimmt ist“[6].
Insofern ist die Absicht unerlaubt, weil unsittlich, diesen Akt „seiner natürlichen Kraft [zu] berauben“[7].
Das ist der gleiche Argumentationsgang, den Paul VI in seiner Enzyklika Humanae vitae aufnimmt: „Ein Akt gegenseitiger Liebe widerspricht dem göttlichen Plan […], wenn er dem vom Schöpfergott in ihn nach besonderen Gesetzen hineingelegten Eignung, zur Weckung neuen Lebens beizutragen, abträglich ist.“[8]
Kurzgefasst: wer mit Vorsatz die mögliche Zeugung eines Kindes verhindert, verschließt sich dem Willen Gottes, der die Offenheit des ehelichen Aktes in Hinsicht auf die Weckung von Leben will.
Es ist der ausdrückliche Wille Gottes, wonach die Ehe offen für Kinder sein muss.
- Die Berufung der Ehefrau: Kindschaft
Daraus ergibt sich quasi von selbst das katholische Gefälle der drei K: Kinder, Küche, Kirche!
Und das ist kein Scherz: Offenheit für Kinder heißt, sie tatsächlich zu bekommen. Und das können Männer bis heute eben nicht.
Von daher ergibt die weitere Entfaltung der Lehre über die Ehe: ihre innere Ordnung.
Wenn die Frau Kinder gebärt, so ist sie ihre Ernährerin und ihr Schutz. Und ihr Ehemann ist der Ernährer und Schutz seiner Ehefrau. Ganz einfach.
Pius XI. schreibt es unübertroffen: „Denn wenn der Mann das Haupt ist, dann ist die Frau das Herz.“[9]
- Die Revolution von 1968 und das Konzil
Es berührt eigenartig, wenn wir beide Daten zusammenschauen: Humanae vitae vom 25.Juli 1968[10] und der revolutionäre Mai 1968 in Paris.[11]
Lag nicht die Umwälzung der gesamten europäischen Kultur in der Luft? War dem Heiligen Vater Johannes XXIII., der das Zweite Vatikanische Konzil einberief, nicht schon in seinem Wunsche nach einem Aggiornamento[12] klar, dass es Streitigkeiten und Kämpfe geben würde?
Aggiornamento kann als Öffnung zur Welt hin verstanden werden, was ja nicht falsch sein muss: welche Inhalte der Welt werden aufgenommen? Und: welche Inhalte der Welt können gerade nicht aufgenommen werden?
- Gott und Seine Kirche: Aggiornamento – wohin?
Wenn wir Katholiken glauben, dass nur in Jesus Christus das Heil für alle Menschen ist und Seine Kirche „universale salutis sacramentum“[13]ist, also Gott Seine Kirche „zum allumfassenden Heilssakrament“[14] gemacht hat, dann muss bei den Männern der Kirche – die katholische Hierarchie – schon ein gewisses Interesse an den Tagesthemen unterstellt werden.
Vielleicht kann man sagen: wir haben es hier mit einer frühen Form des Klerikalismus zu tun, wie es der Heilige Vater Franziskus diagnostiziert – Kleriker behandeln die typischen Themen von Klerikern.[15]
Wenn ein ganzer Kontinent buchstäblich vergreist, weil die lieben Katholiken dem Auftrag Gottes zur Fruchtbarkeit nicht nachkommen, sondern alles andere leben, dann muss die Frage erlaubt sein: Öffnung – ja, aber mit welchen Inhalten?
Nun, die Inhalte stehen uns vor Augen: in den dicken Büchern des Konzils und seinen Kommentatoren.
Und: was ist mit der restlichen Lehre der heiligen katholischen Kirche? Gilt sie auch? Wenn ja: wo?
- Doketistische Geschlechtslosigkeit
Die kommunistischen Weltrevolutionäre haben in den zwanziger und dreißiger Jahren eine gewaltige kulturelle Umwälzung in Gang gesetzt, die mit einiger Verspätung auch Deutschland erreichte und der katholischen Lehre entgegengesetzt ist.
- Verhütungsmittel auf Rezept[16]
- Ehescheidung[17]
- Pornografie[18]
- Abtreibung[19]
- Homosexualität[20]
- Gender-Mainstreaming[21]
Bis heute fehlt die Antwort unserer katholischen Kirche, die wirklich durchgreift und uns Laien nicht im Regen stehen lässt.
Und damit mich meine ich keine Antwort, die in irgendwelchen Fußnoten versteckt wird, sondern es geht um eine Antwort, die offensiv und konstruktiv gelebt wird.
- Damit ein unzeitgemäßes Konzil zeitgemäß wird
Freuen wir uns über die guten Früchte des Zweiten Vatikanums: die Messe in der Volkssprache und die Versöhnung mit den anderen Kirchen und Gemeinschaften.
Und tun wir Buße für die Versäumnisse, die seit vielen Jahrzehnten korrigiert werden müssen!
Ich denke an die unselige ‚Königsteiner Erklärung‘[22] in Deutschland und die ‚Mariatroster Erklärung‘[23] in Österreich, die Kardinal Schönborn als „Sünde des europäischen Episkopats“[24] bezeichnete.
Leben wir die katholische Lehre, indem wir uns gegenseitig stärken und das Sakrament der Versöhnung neu beleben: damit wieder Familien mit Kindern entstehen!
Familien mit Kindern sind Kern und Stern einer jeder menschlichen Gesellschaft: sie sind die kleinste Zelle einer jeden Gesellschaft, egal ob Raubtierkapitalismus oder Kommunismus.
[1] Die Bischöfe der heiligen katholischen Kirche segnen nicht nur, sie verwerfen ebenfalls, kraft ihres Amtes zu lösen und zu binden.
[3] Humanae Vitae (25. Juli 1968) | Paul VI. (vatican.va)
[5] Enzyklika „Mit brennender Sorge“ [„Cum Cura ardenti“] (clerus.org)
[6] Zitiert nach: Die Enzykliken des Heiligen Vaters Pius XI., Innsbruck-Wien-München 1936, 22.
[7] Ebd.
[8] Zitiert nach: Enzyklika Humanae vitae, Stein am Rhein, ²1991, 20.
[9] Zitiert nach: Die Enzykliken des Heiligen Vaters Pius XI., Innsbruck-Wien-München 1936, 14.
[10] Humanae Vitae (25. Juli 1968) | Paul VI. (vatican.va)
[11] Mai 1968 in Frankreich – Wikipedia
[12] Aggiornamento – Kathpedia
[13] Lumen gentium 48,1.
[14] Lumen gentium (vatican.va)
[15] Weihnachtsempfang für die Römische Kurie (22. Dezember 2014) | Franziskus (vatican.va)
[16] Antibabypille – Wikipedia
[17] Ehescheidung (Deutschland) – Wikipedia
[19] Schwangerschaftsabbruch – Wikipedia
[20] Homosexualität in Deutschland – Wikipedia
[21] Gender-Mainstreaming – Wikipedia
[22] Humanae vitae – Wikipedia
[23] Die „Mariatroster Erklärung“ von 1968 (bischofskonferenz.at)
[24] Kritik an der Königsteiner Erklärung durch Kardinal Schönborn | Die Tagespost (die-tagespost.de)
