Erster Teil
Der Stammbau Jesu nach Matthäus
Berlin, 14.August 2021
Matthäus ist ein Meister sowohl in der geschichtlichen Darstellung als auch in der theologischen Deutung Jesu Christi.
Hierbei geht es bei dem Abschnitt ‚Der Stammbaum Jesu‘[1] in den Vorgeschichten seines Evangeliums um die Verschränkung, ja Verschachtelung verschiedener Anliegen und Botschaften.
- Der Zweck jüdischer Ahnentafeln
In den Evangelien werden vier Arten genannt, warum Stammbäume dringend notwendig war.
Zum einen ist es der Grund, weshalb der Ziehvater Jesu, Josef, aus Nazareth mit der schwangeren Maria in sein Erbteil, das judäische Bethlehem, gezogen ist.[2] Es ging um die Steuerschätzung des römischen Statthalters in der Provinz Syria, Quirinius.[3]
Der Historiker Martin Jehne meint: „In dem Augenblick, in dem die kaiserliche Verwaltung eine Grundsteuer (tributum soli) einführt, will sie wissen, wie viel Land ein Untertan besitzt, vielleicht auch, ob es sich um gute oder schlechte Böden handelt.“[4]
Um den Nachweis seines Eigentums zu erbringen, benötigt Josef den Nachweis, Erbe von Grundbesitz zu sein.
Dazu zählen natürlich Ahnentafeln, also Stammbäume.
Und zum anderen geht es um Frage, wer von den jüdischen Männern berechtigt ist, als Priester im Jerusalemer Tempel Dienst zu tun. Hierüber gibt wiederum der Evangelist Lukas Auskunft, wenn er genau beschreiben kann, aus welchem Priestergeschlecht der Vater von Johannes dem Täufer stammt.
Der soeben genannte Priester Zacharias gehörte „zur Abteilung des Abija“[5].
Und zum dritten geht es um den Nachweis von Jüdischkeit, um so genannte Mischehen zu vermeiden. Nicht nur Männer, sondern auch Frau sollten jüdisches Blut in sich haben, um den Gott Israels nicht zum Zorn zu reizen.
Im fünften Buch Mose werden sieben Völker genannt, aus denen ein jüdischer Mann eine Frau nicht heiraten darf: „Hetiter, Girgaschiter und Amoriter, Kanaaniter und Persiter, Hiwiter und Jebusiter.“[6]
Nicht nur deshalb betont der Evangelist Lukas, dass die Ehefrau des Zacharias, Elisabeth, „aus dem Geschlecht Aarons“[7] stammte.
Und der wichtigste Grund, den Nachweis seiner Vorfahren zu erbringen, ist bei Jesus Christus, dem Sohn des Hochgelobten: er muss Davidide sein, also von König David selbst abstammen.[8]
- Eine Zwischenbemerkung zum Unterschied Matthäus-Lukas
Gerne werden in der exegetischen Literatur die Unterschiede zwischen den beiden großen Evangelisten, nicht nur der Anzahl der Kapitel nach, aufgezählt und unterstrichen.
Schon hier können wir uns fragen: warum spielt die Steuerzählung der Weihnachtsgeschichte, die Abstammung der Priesterklassen und die Blutsreinheit der Priesterfrauen – wie bei Zacharias und Elisabeth – bei Matthäus keine Rolle?
In meinen Augen wirkt der Stammbaum des einen Evangelisten wie der Kommentar des anderen – und umgekehrt.
- Dreiteilung der israelitischen Geschichtsschreibung
Matthäus teilt die Geschichte Israels in drei besondere Abschnitte von jeweils vierzehn Generationen: Von Stammvater Abraham bis König David, von König David bis zur Babylonischen Gefangenschaft, von der Babylonischen Gefangenschaft bis Jesus Christus.
In der ersten Einteilung steht am Anfang Abraham.[9] Er ist der Urahn aller Juden. Und Abraham ist ein Heide, der erst mit einem äußeren Zeichen, der Beschneidung, zu einem Juden wurde.[10]
Abraham stammt aus Ur[11] in Chaldäa. Es gehört zu Mesopotamien, das wiederum in späterer Zeit zu Altbabylonien[12], sodann den Assyrern und Neubabyloniern zufiel.[13]
Alle genannten Völker wie Chaldaäer, Assyrer und Babylonier sind nach dem Auszug aus Ägypten unter Mose die Todfeinde des Volkes Israels als der Nachkommen Abrahams.
In der zweiten Einteilung geht es um die so genannte Königszeit[14], die mit König David[15] beginnt und der Wegführung nach Babylonien, der so genannten Babylonischen Gefangenschaft, endet.[16]
In der dritten Einteilung geht es um die Zeit vom Ende des Exils in Babylon bis zur Geburt des Messias Jesus Christus.
- Deutung der drei Einteilungen
Der Ursprung des Judentums liegt bei einem Heiden, der als Aramäer umherirrte[17]. So jedenfalls beschreibt es Mose im Rückblick: „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.“[18]
Am Anfang war kein Staat mit einem König, sondern die irdische Pilgerschaft innerhalb einer alten Kulturlandschaft: vom äußersten Osten des Zweistromlandes Mesopotamien[19] bis in den Nordosten Afrikas, Ägypten. Zwei Kontinente, Asien und Afrika, begegnen sich in Abraham: ein gewaltiger kultureller Unterschied.
Mit dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten folgte schließlich die militärische Einnahme des Landes, in welchem Milch und Honig[20] fließen: es geht um einen Landstrich zwischen Jericho und Mittelmeer, der Israel heißt.
Es war sinnvoll bei der Sesshaftwerdung, einen Staat zum Schutz zu bilden mit einem Oberhaupt, einem König.
Das Königtum Davids endete mit der Zerstörung der Hauptstadt Israels, Jerusalem, durch die Babylonier, die schließlich die Oberschicht des Volkes, Beamte, Priester und Handwerker, nach Babel deportierte.[21]
Der Staat Israel war vernichtet, die Nachkommenschaft Davids verschleppt.
In der dritten und letzten Einteilung erinnert uns der Evangelist Matthäus daran, dass die Rückführung des Südstammes Juda aus Babylonien in das Gelobte Land Israel nicht wieder zum Königtum Davids zurückführte – und nicht zur alten Stärke von Nord- und Südreich.[22]
In einem gewissen Sinn lässt sich also für die Zeit Jesu, in welche der Evangelist Matthäus uns einführen will, sagen: sie ähnelt der Zeit Abrahams, in welcher das Volk Israel keinen König hatte und eine fremde Staatsmacht das Geschick in der Hand hielt.
Sie ähnelt der Zeit Abrahams insofern nicht, weil die Rückführung aus Babylonien Sesshaftigkeit voraussetzt, während Abraham ein irdischer Pilger war.
Im Vergleich der Verheißungen Gottes an Stammvater Abraham und König David kann das Urteil nur lauten: die tragende Verheißung ist die Abrahams, nicht diejenige Davids, denn das Königtum Davids wurde von Gott nicht bestätigt, aber die Treue des Südstammes Juda.
Dennoch muss sich der biblisch gebildete Leser fragen: ist Jesus Christus der verheißene Davidide, der das Königtum in Israel wieder aufrichten wird? Und wenn nicht: von welcher Art wird sein Königtum sein?
- Kann Matthäus nicht zählen?
Es ist bemerkt worden, dass die Abfolge von Abraham bis David und von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft vierzehn Generationen umfasst, allerdings von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Jesus Christus nur dreizehn.
Kann als der Evangelist Matthäus nicht 1+1 zusammenzählen? Geza Vermes meint bemerken zu müssen: „War vielleicht die Autorität der schriftlichen Überlieferung des Matthäus so groß, dass man bezüglich des offensichtlichen Mangels an grundlegenden rechnerischen Fähigkeiten ein Auge zudrückte?“[23]
Wir lesen beim Evangelisten seine Lesart, die er uns diktiert: „von Abraham bis David“, „von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft“ und „von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus“ sind es vierzehn Geschlechter.[24]
Kontrollieren wir einfach nach, ob Matthäus rechnen kann:
- Abraham bis David: Abraham + Isaak + Jakob + Juda +Perez + Hezron + Aram + Amminadab + Nachschon + Salmon + Boas + Obed + Isai + David = 14.
- David bis Babylonische Gefangenschaft: David + Salomo + Rehabeam + Abija + Asa + Joschafat + Joram + Usija + Jotam + Ahas + Hiskija + Manasse + Amos + Joschija = 14
- Von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Jesus Christus: Jojachin + Schealtiel + Serubbabel + Abihud + Eljakim + Azor + Zadok + Achim + Eliud + Eleasar + Mattan + Jakob + Josef + Jesus Christus = 14.
Wenn Matthäus seine eigene Zählweise kommentiert und sogar angibt, wie sich die Dreizahl der vierzehn Geschlechter rechnerisch ergibt, sollte man zumindest auf seine eigene Deutung eingehen und nicht meinen, ein Evangelist könne nicht rechnen.
Es ist David, auf den alles zuläuft und der die Mitte der Argumentation ist: und quasi zweimal gezählt wird.
- Warum die Zahl Vierzehn bedeutsam ist
Es ist immer wieder gefragt worden, warum Matthäus die Zahl Vierzehn so wichtig ist. Dies ist einfach zu erklären, wenn man bedenkt, dass die Zeichen für Zahlen im Hebräischen Buchstaben sind.[25]
Vollkommen zu Recht schreibt Ingrid Penner: „Im Hebräischen hat jeder Buchstabe (wobei nur die Konsonanten geschrieben werden) auch einen Zahlenwert. Die Summe der im Namen David verwendeten Konsonanten (D=4; V=6) beträgt 14. Die Zahl 14 weist damit auf David hin.[26] Für Matthäus Jesus ein Nachkomme Davids. David gilt in biblischer Tradition als Verheißungsträger für Gottes Handeln.“ [27]
- Männliche Stammfolge und die vier Frauen
Geza Vermes stellt zu Recht fest, wonach „biblische Ahnenreihen immer über die väterliche Linie“[28] laufen.
Matthäus nennt in seinem Stammbaum vier Frauen, ganz untypisch für jüdisches Denken: Tamar, Rahab, Rut und Batseba[29].
Unbewiesen ist, ob alle vier aus dem Heidentum stammen; wahrscheinlich ist es, weil das Stammesdenken Israels allen vier kein Volk zuweist, sondern nur Orte ihrer Geschichte. Rut ist keine Ausnahme, weil ihr Ort das Land Moab ist.
Der Evangelist Matthäus will damit wohl nur aussagen, dass die rein jüdische Blutslinie von jüdischem männlichem Samen mit jüdischem weiblichem Ei mehrfach durchbrochen ist.
Diese Grundrichtung beginnt eigentlich schon mit Abraham, der nur durch die Beschneidung zum ersten Juden wurde.
Und sie endet dann mit Jesus Christus, der zwar eine jüdische Mutter aus Israel hatte, aber der Same stammte eben nicht von einem jüdischen Mann, sondern von Gott selbst.[30]
- Die Schwagerehe von Tamar und Rut
Eigentümlich ist der Verweis des Evangelisten Matthäus auf die beiden Frauen namens Tamar und Rut.
Eine Leviratsehe hat ihren Sinn darin, bei einem Mann das Andenken des Namens sowie dessen Erbe zu erhalten: „Der Bruder des kinderlos Verstorbenen ist dadurch verpflichtet, mit der Witwe seines Bruders einen Erben zu zeugen. Eine förmliche Heirat ist dabei nicht in jedem Fall notwendig, da das im Levirat gezeugte Kind als Nachkomme des verstorbenen Ehemannes des [sic] Mutter gilt.“[31]
Diese Möglichkeit gab es im Judentum im Gesetz des Mose nach Dtn 25,5-10.
Tamar war die Schwiegertochter Judas, weil sie die Ehefrau von Er, einem seiner Brüder, war. Er verstarb und hinterließ eine kinderlose Witwe.[32] Um dem verstorbenen Ehemann einen männlichen Erben zu hinterlassen, gab es die Möglichkeit der Leviratsehe[33]. Stammvater Juda überlegte sich nun, wie er seinem verstorbenen Sohn Er sowohl dessen Namen als auch dessen Erbe erhalten konnte.
Anschaulich beschreibt die Bemühungen Judas um Nachkommenschaft für seine ehemalige Schwiegertochter Tamar meine Lieblingsenzyklopädie Wikipedia[34]: „Juda vermählte sie daraufhin mit seinem zweiten Sohn, Onan, damit dieser seinem verstorbenen Bruder Nachkommen schaffe (Leviratsehe). Onan aber verweigerte dies und ließ ‚den Samen zur Erde fallen und verderben‘. Kurze Zeit darauf starb er auch, und Tamar war weiterhin kinderlos. Rechtlich hätte nun der Jüngste, Schela, seinen Brüdern Nachkommen schaffen müssen, aber Juda zögerte die Vermählung hinaus, da er wegen des schnellen Todes seiner ersten beiden Söhne befürchtete, auch der letzte könne ihm genommen werden. Einige Zeit später, nachdem Judas Frau verstorben war, verführte Tamar, als Hure gekleidet, ihren Schwiegervater und wurde von ihm schwanger.“[35]
Anders gelagert ist der nicht weniger bemerkenswerte Fall von Rut, deren Name ein eigenes biblische Buch ziert. Die Geschichte von Rut ist anrührend und wirklich spannend geschrieben.[36]
Aufgrund einer Hungersnot muss Mutter Noomi mit ihren beiden Söhnen das judäische Bethlehem verlassen. Sie gelangen in das heidnische Moab. Beide Söhne heiraten Moabiterinnen und versterben allerdings ohne Nachkommenschaft.
Noomi rät ihrer Schwiegertochter Rut auf das Feld eines Verwandten namens Boas zu gehen, um eine Nachlese bei der anstehenden Gerstenernte zu halten, die den Armen und Fremdlingen nach Mosaischem Gesetz möglich war.[37]
Boas war einer der Verwandten von Noomi und nach dem Leviratsgesetz einer der Löser. Gut beschreibt Wikipedia den weiteren Fortgang: „Boas bemerkt Rut, erkennt ihr außergewöhnliches Engagement für ihre Familie an (2,11ff.) und begünstigt sie. Daraufhin bekommt Rut von Noomi den Rat, sich nachts nach der Feldarbeit zu Boas zu legen. Boas verspricht Rut, sie zu heiraten. Es gibt jedoch noch einen anderen Verwandten, der gemäß dem Leviratsgesetz ebenfalls das Recht und die Pflicht hat, Rut zu heiraten. Da dieser ablehnt, löst Boas Rut aus und nimmt sie zur Frau.“[38]
- Die Notwendigkeit von Geschlechterlisten im Buch Esra
Fern davon ein mustergültiges Verzeichnis im Sinne von Lückenlosigkeit zu bieten, versucht der Schriftgelehrte Esra sein Bestes.
Es ging bei dieser geschichtlichen Situation um die Rückkehr von deportierten Juden aus Babylonien zurück nach Jerusalem, um den zerstörten Tempel und ein neues Leben nach den Geboten Gottes aufzubauen.
Eindringlich wird beschrieben wie einige Rückkehrer vom neuen Leben im Gelobten Land rücksichtslos ausgeschlossen wurden.
Es ging zum einen um die Oberschicht, nämlich um Priester: „Die Genannten suchten ihre Eintragung im Geschlechterverzeichnis, aber man fand sie nicht; deshalb wurden sie aus dem Priesterstand ausgeschlossen.“[39]
Und zum anderen ging es um so genannte Mischehen, also Ehen von jüdischen Männern mit nicht-jüdischen Ehefrauen. Diese Mischehen betrafen alle Schichten der jüdischen Gesellschaft.
Esra bestand auf ihrer Auflösung, wozu eigene Listen von Männern erstellt wurden, die ihre Ehefrau verstoßen sollten.[40]
- Das Esra-Verzeichnis am Beispiel Pahat-Moab
Unwahrscheinlich ist es, dass irgendwo in Babylonien ein Zentralregister aller jüdischen Deportierten verwaltet wurde. Noch unwahrscheinlicher ist es, dass ein gigantisch langes Verzeichnis von Stammvater Abraham bis zu allen damals lebenden Juden erstellt wurde.
Selbst wenn es ein solches Verzeichnis vor der Verschleppung nach Babel gab: es hatte in Babel selbst keinerlei Wert. Und der Bezug der Verschleppten zu diesem Verzeichnis konnte gar nicht hergestellt werden. Babylonier waren eine feindliche Macht.
So gesehen wird es also immer wenige schriftliche Zeugnisse gegeben haben, die eindeutig sind: wohl hier und dort Urkunden oder Inschriften auf Tonscherben. Der Versuch des Schriftgelehrten Esra[41] solche Listen zu erstellen, sind wagemutig, denn sie beruhen wohl zum guten Teil auf den Aussagen der Heimkehrer selbst; wahrscheinlich wurden viele Listen in Babylonien selbst erstellt, die von Esra und seinen Begleitern letztendlich überprüft wurden (vgl. z.B. Esra 8,1).
Über die Nachkommen eines ‚Pahat-Moab‘ finden wir in der Bibel sechs Stellen:
- Esra 2,6: Esra schreibt in Vers 6 des zweiten Kapitels: „Nachkommen des Pahat-Moab, und zwar Nachkommen Jeschuas und Joabs: 2812.“ Esra nennt einen Namen, Pahat-Moab; offensichtlich einen für hebräische Ohren untypischen Doppelnamen, der nicht-jüdischen Ursprungs ist. Moab ist ein Landstrich gegenüber dem Toten Meer, also im heutigen Jordanien gelegen. Laut Gesenius bezeichnet Pahat (tjp ) den „Statthalter einer Provinz (der aber zugleich Militäranführer war)“[42]. Es geht also um einen jüdischen Statthalter, der möglicherweise tributpflichtige Moabiter beaufsichtigte[43] oder aber an der Reichsgrenze zu Moab Dienst tat. Die Septuaginta übersetzt nun ‚Nachkommen des Pahat-Moab‘ mit Söhnen ( uioi ), der wiederum zwei andere Söhne hatte: toi§ uioi§.[44] Dies entspricht auch exakt der Hebräischen Bibel, die auf die Sohnschaft der männlichen Kinder des Pahat-Moab pocht: ynb.
- Esra 8,4: „Von den Nachkommen des Pahat-Moab: Eljoenai, der Sohn Serachjas, und mit ihm 200 Männer.“
- Esra 10,30: „von den Nachkommen des Pahat-Moab: Adna, Kelal, Benaja, Maaseja, Mattanja, Bezalel, Binnui und Manasse“.
- Nehemia 3,11: „Haschub, der Sohn des Pahat-Moab.“
- Nehemia 10,15: „Dann folgen die Oberhäupter des Volkes: […] Pahat-Moab“. Pahat-Moab ist ein var , also ein „Oberhaupt, Anführer“[45].
Halten wir fest: ein nicht näher benannter männlicher Jude mit dem Funktionsnamen ‚Statthalter Moabs‘[46] hat biblisch dreizehn mit Namen genannte Söhne (Jeschua, Joab, Eljoenai, Serachja, Adna, Kelal, Benaja, Maaseja, Mattanja, Bezalel, Binnui, Manasse, Haschub).
Acht der dreizehn männlichen Nachkommen hatten ausländische Frauen (vgl. Esra 10,30), die die Maßgabe hatten, sich von ihnen zu trennen.
Drei Söhne von Pahat-Moab, die namentlich genannt werden, hatten viele Nachkommen. Die zwei Söhne Jeschua und Joab: 2812.
Und der dritte Sohn Eljoenai des Statthalters von Moab, der wiederum der Sohn von Serechja war, hatte 200 Nachkommen.
Halten wir fest: wäre uns nur Nehemia 3,11 überliefert, müssten wir annehmen, ein jüdischer Mann namens Pahat-Moab hätte nur einen einzigen Sohn.
In Wahrheit sind es viele Söhne, die Pahat-Moab gehabt hat: aber wie viele genau? Wir kennen nur einige Namen, die wiederum kombinierbar sind.
Reden wir von 3012 Nachkommen, indem wir alle genannten Nachkommen einfach mal zusammenzählen.
Das Babylonische Exil begann um das Jahr 597[47] und endete mit dem Kyros-Edikt 538[48]. Offensichtlich war der Familienclan um Pahat-Moab schon früh deportiert worden oder er konnte weitgehend als ein Ganzes nach Babylonien gelangen, denn von allen Familien, die im zweiten Kapitel genannt werden, ist die von Pahat-Moab die zweitgrößte, nur Leute aus Senaa sind zahlenmäßig größer: 3630.[49]
Die Zahlenangabe von Pahat-Moab ist wohl kaum auf die Geburtenjahrgänge in Babylonien zurückzuführen. Der Stammbaum könnte auf die tributpflichtige Zeit des moabitischen Königs Mescha zurückgehen; dieser König regierte um 850 v.Chr.[50]
- Spekulationen um die Herkunft von Pahat-Moab und seiner Familie
Am Beispiel von Ebed-Melech, dem Sklaven des Königs Zidkija, können wir nur vermuten, warum ‚Pahat-Moab‘ wahrscheinlich kein ursprünglicher Jude war.
Der ‚Sklave des Königs‘ – Ebed-Melech – war ein Kuschiter und entstammte wahrscheinlich dem afrikanischen Kontinent, jedenfalls wenn man Jeremia 13,23 ernstnimmt.[51]
Der Name ‚Statthalter Moabs‘ wäre so am besten verständlich.
Damit wäre klar: Pahat-Moab, derjenige, der die zweite Stelle in der Besiedlung Jerusalems einnahm, ist ein Fremdling.[52]
Da allerdings Esra strickt auf kultische Reinheit im Sinne von rein-jüdischen Männern legte, scheint diese Variante praktisch ausgeschlossen; immerhin erstellt er eine Liste von Juden, die ihre ausländische Ehefrau entlassen müssen.[53]
Namenlos ist also praktisch die zweitgrößte Gruppe von jüdischen Siedlern: wahrscheinlich gibt es in den in Babylonien vorhandenen Verzeichnisse beträchtliche Lücken. Die Beglaubigung von dem, was schriftlich vorliegt, kann dann nur mündlich erfolgen.
Diese relativ große Gruppe ist wohl ein Familienverband, der seinen Ursprung in der Verbindung mit Moab hat; der Respekt vor dem Namen verbietet es, falsche zu nennen; so wird der Ort, das Land Moab, genannt, in welchem alles begann. In dem Heimkehrer-Verzeichnis gibt es vierundzwanzig Ortsnamen.[54]
Und es gibt das Losverfahren mit Urim und Tummim, wie es in Esra 2,62f genannt wird: „Die Genannten suchten ihre Eintragung im Geschlechterverzeichnis, aber man fand sie nicht; deshalb wurden sie aus dem Priesterstand ausgeschlossen. Der Statthalter untersagte ihnen, vom Hochheiligen zu essen, bis ein Priester für den Losentscheid mit Urim und Tummim zur Verfügung stehe.“[55]
Mit einem Wort: Esra ist so weitherzig, dass er im Zweifel gerade nicht lupenreinen Listen vertraut, sondern folgende Ausnahmen zu lässt:
- Familienoberhäupter mit zweifelhafter Herkunft wie Pahat-Moab.
- Leute aus einem jüdischen Ort.
- Jüdische Männer, die ihre Herkunft nicht nachweisen können, aber über Losentscheid dem Gottes Urteil unterworfen worden sind.
Überlegen wir noch kurz die möglichen Familienkonstellationen, die denkbar sind:
- Kinder aus erster Ehe mit jüdischen Frauen.
- Kinder aus weiteren Ehen mit jüdischen Frauen nach dem Tod der vorherigen.
- Kinder aus einer Schwagerehe mit einer jüdischen Frau.
- Kinder aus einer Schwagerehe mit einer nicht-jüdischen Frau (z.B. Tamar und Rut).
- Kinder aus einer Vielehe (wie sie z.B. die Könige David und Salomo führten) mit mehreren Ehefrauen gleichzeitig.
- Fazit
Es fällt schwer, das Urteil von einigen ernst zu nehmen, die sich mit biblischen Stammbäumen nicht befasst haben, weil sie sie überhaupt nicht ernstnehmen.[56]
- Literaturverzeichnis
- Biblia Hebraica Stuttgartensia, Stuttgart 4.Aufl. 1990.
- Die Bibel – Einheitsübersetzung, Stuttgart 2017.
- Handwörterbuch über das Alte Testament, hg. v. Wilhelm Gesenius, Berlin-Göttingen-Heidelberg 17.Aufl.1962.
- Luz, Ulrich, Das Evangelium nach Matthäus (Mt1-7), EKK I/1, Düsseldorf-Zürich/ Neukirchen-Vluyn 5.Aufl. 2002.
- Septuaginta, Stuttgart 2006.
- Vermes, Geza, Die Geburt Jesu: Geschichte und Legende, Darmstadt 2007.
[1] Mt 1,1-17.
[2] Vgl. Lk 2,1-4.
[3] Publius Sulpicius Quirinius – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[4] „Volkszählung“: Die Steuerlast in Rom war moderat – WELT (abgerufen am 12.8.2021).
[5] Lk 1,5c.
[6] Dtn 7,1.
[7] Lk 1,5d.
[8] David – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[9] Abraham – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[10] Abraham – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[11] Ur (Stadt) – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[12] Ur (Stadt) – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[13] Mesopotamien – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[14] Liste der Könige Israels – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[15] David – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[16] Babylonisches Exil – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[17] 5.Mose 26,5 :: ERF Bibleserver (so treffend die Elberfelder Übersetzung; abgerufen am 12.8.2021).
[18] Dtn 26,5.
[19] Mesopotamien – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[20] Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet :: bibelwissenschaft.de (abgerufen am 12.8.2021).
[21] Babylonisches Exil – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[22] Nordreich Israel – Wikipedia (abgerufen am 12.8.2021).
[23] Vermes, Geza, Die Geburt Jesu: Geschichte und Legende, Darmstadt 2007, 31.
[24] Mt 1,17.
[25] Besonders schwach hier wieder Vermes, 25: Die Zahl 14 hat im jüdischen Denken keine bekannte Bedeutung, außer dass sie das Doppelte der mystischen Zahl 7 ist.“
[26] Vgl. Karl-Heinz Vanheiden: Die Stammbäume von Jesus | Bibelbund (abgerufen am 12.8.2021).
[27] (Microsoft Word – Der matth\344ische Stammbaum.doc) (dioezese-linz.at) (abgerufen am 12.8.2021).
[28] Vermes, 26.
[29] „Frau des Urija“.
[30] Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet :: bibelwissenschaft.de (abgerufen am 12.8.2021).
[31] Levirat – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[32] Tamar (biblische Person) – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[33] Levirat – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[34] Wikipedia – Die freie Enzyklopädie (abgerufen am 13.8.2021).
[35] Tamar (biblische Person) – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[36] Buch Rut – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[37] Vgl. Lev 23,22 (Buch Rut – Wikipedia; abgerufen am 13.8.2021).
[38] Buch Rut – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[39] Esra 2,62.
[40] Esra 10, besonders 10,18-44.
[41] Esra 7,6.
[42] Vgl. Gesenius, 639; siehe auch Pachat-Moab – Pachath-Moab, Pahath-Moab, Pahat-Moab – Bibel-Lexikon :: bibelkommentare.de (abgerufen am 13.8.2021).
[43]Vgl. dazu die Tributpflicht des moabitischen Königs Mescha in 2 Könige 3,4 sowie Moabiter – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021)
[44] Septuaginta, 904.
[45] Gesenius, 737.
[46] Im Buch Jeremia 38f wird ein Funktionsname ‚Ebed-Melech‘ genannt, was auf Deutsch: ‚Sklave des Königs‘ heißt; vgl. Ebed-Melech – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[47] Babylonisches Exil – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[48] Kyros-Zylinder – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[49] Vgl. Esra 2,35.
[50] Mescha (Moab) – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[51] Kusch (Bibel) – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[52] Vgl. Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet :: bibelwissenschaft.de (abgerufen 13.8.2021).
[53] Vgl. Esra 10.
[54] Vgl. Esra 2,1-59.
[55] Vgl. Urim und Thummim – Wikipedia (abgerufen am 13.8.2021).
[56] Luz, 139, schreibt, „die Forschung“ habe den Stammbaum Jesu „als fiktiv erkannt“.
