Sünde und Exhibitionismus

Ratzinger und ich II

Berlin, 29.Januar 2022

Es fällt schwer in diesen Tagen, Katholik zu sein. Bei mir sind es jetzt fast genau 15 Jahre, seitdem ich in der Fastenzeit, am schönen Sonntag Laetare, in die heilige katholische Kirche aufgenommen wurde.

Niemals habe ich es nur eine einzige Sekunde bereut. Nein, ich bin gläubiger denn je. In dieser schweren Zeit haben sich die Wurzeln verstärkt, da ja die Bäume derzeit nicht in den Himmel wachsen können: ein eisiger Sturm weht durch das Land. Gott kehrt mit einem eisernen Besen. Und das ist gut so, denn Gottes Gerichte sind hart und gerecht.

  1. Zwei Gründe für meinen Übertritt

Nachdem die EKD, die evangelische Landeskirche Deutschlands, den Weg für die Segnung Homosexueller frei gemacht hatte, war ich vollkommen glücklich, ein Buch in Händen zu halten.[1]

Für mich war und ist der ‚Katechismus der Katholischen Kirche‘[2] ein Jahrhundertereignis. Er ist um Längen besser als der alte und bärenstarke Catechismus Romanus, der uns seit dem Tridentinum 450 Jahre Frieden vor Irrlehren geschenkt hat, nicht nur, weil er deutlich dicker ist.

Wer wirklich gute Formulierungen sucht, der findet sie. Und was für welche: ein echter Ratzinger eben. Das war und ist seine Stärke.

Nicht umsonst wird genau dieser Jahrtausendpräfekt der Glaubenskongregation vom heiligen Johannes Paul II in der Apostolischen Konstitution Fidei Depositum eigens mit Namen erwähnt: vollkommen zu Recht – das Mammutwerk hat besonders einen Autor, der aller Ehre wert ist.

Der erste Grund zum Übertritt war also der Katechismus, der normativ die geltende Lehre des Christentums (!) wieder gibt, nicht nur des Katholizismus, denn alle christlichen Denominationen verurteilen gelebte Homosexualität – bis zum Jahre 1996.

Der zweite Grund lag nahe: als evangelischer Lutheraner sollte ich mein eigener Papst sein, denn mit Martin Luther nahm ich an, dass ich es durch die Taufe sei.[3]

Wie froh war ich, dass ich als Katholik nur einen einzigen Papst habe, der als Stellvertreter Christi Haupt der katholischen Hierarchie ist, die vollauf bejahe.

So viel zur Überleitung zum Thema: Ratzinger und ich.

  1. Der katholische Blick auf die Sexualität

Die menschliche Sexualität bereitet viel Freude, ist im Hinblick auf die Zeugung von menschlichem Nachwuchs gedacht und hat ihren einzigen Ort in der Ein-Ehe von Mann und Frau. Punkt.

Sexualität also außerhalb der menschlichen Ehe ist nicht statthaft. Punkt.

Über Unkeuschheit, also dem sexuellen Begehren außer- und auch innerhalb der Ehe heißt es im ‚Katechismus der Katholischen Kirche‘: „Unkeuschheit ist ein ungeregelter Genuß der geschlechtlichen Lust oder ein ungeordnetes Verlangen nach ihr. Die Geschlechtslust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebevolle Vereinigung losgelöst wird.“[4]

Damit ist alles gesagt. Ein echter Ratzinger eben. Unkeuschheit ist also nicht nur die Handlung, sondern ebenfalls das ungezügelte Verlangen.

Der heilige Völkerapostel Paulus stellt deshalb fest: „Unzüchtige […] werden das Reich Gottes [nicht] erben.“[5]

Es handelt sich bei Unkeuschheit also um Sünde, inwieweit Tod- oder lässliche Sünde, muss uns hierbei nicht interessieren.

  1. Autoerotik: Anfang der sexuellen Sünde

Der heilige Johannes Paul II hat in seiner Enzyklika Veritatis splendor festgestellt: „Empfängnisverhütung, direkte Sterilisierung, Autoerotik, voreheliche Beziehungen, homosexuelle Beziehungen sowie künstliche Befruchtung [sind] sittlich unzulässig“[6].

Wir können eine klare Abfolge sexuellen Fehlverhaltens erkennen:

  1. Vermeidung von Nachkommenschaft durch künstliche Verhütungsmittel und operative Eingriffe
  2. Autoerotik mit sich selbst: Selbstbefriedigung
  3. Autoerotik vor anderen: Exhibitionismus; Sadomasochismus
  4. Voreheliche Sexualität der Geschlechter
  5. Homosexuelle Pädophilie
  6. Homosexualität zwischen Erwachsenen
  7. Künstliche Befruchtung

Der Anfang der Verfehlungen ist allerdings klar: bei sich selbst – Autoerotik.

Der Katechismus nennt Exhibitionismus nicht, wohl aber Selbstbefriedigung: „Masturbation ist die absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane, mit dem Ziel, geschlechtliche Lust hervorzurufen. […) ‚Tatsache ist, daß sowohl das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets gleichbleibenden Überlieferung als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben, die Masturbation als eine in sich schwere ordnungswidrige Handlung zu brandmarken‘, weil ‚der frei gewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich widerspricht‘“[7].

Wenn Masturbation die absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane vornehmlich alleine zu Hause geschieht, so ist eine öffentliche Erregung des Geschlechtsorgans durch Entblößung desselben folgerichtig umso verwerflicher.

Was in der Einsamkeit der eigenen vier Wände geschieht, erregt kein öffentliches Ärgernis, immerhin.

Exhibitionismus wiederum „ist eine Sexualpräferenz, bei der durch Entblößung der sonst verdeckten Schamteile (Genitalien, Brüste) oder mit sexuellen Aktivitäten vor der Öffentlichkeit sexuelle Lust gewonnen werden soll.“[8]

Die Erregung öffentlichen Ärgernisses und die damit unter Umständen erfolgende Verführung von Mitmenschen, insbesondere von Kindern, ist also nach der katholischen Sexualmoral als qualitativ verwerflicher anzusehen als die Masturbation unter der Bettdecke.

Die Masturbation verführt niemanden, der Exhibitionismus durchaus.

Das Urteil des katholischen Sexualmoral über den Exhibitionismus muss also, ohne dass dieser im Katechismus explizit genannt wird, umso härter ausfallen. Es kann nicht anders sein.

  1. Ratzingers Lebenswerk wird durch ihn selbst zerstört

Ratzinger schreibt, dass „‘erst seit dem Jahr 2020 geklärt sei, dass auch exhibitionistische Handlungen unter den Begriff der Sünde fallen können‘“[9].

Das ist unfassbar und vor allen Dingen falsch.

Wer die Seiten des Münchner Missbrauchsgutachtens liest, stößt auf ‚Fall 37‘[10], aus welchem das Ratzinger-Zitat stammt.

Auf zwanzig unendlich langatmigen Seiten kann man einem alten Mann bei der Selbstrechtfertigung förmlich zu sehen.

Nein, nicht andere demontieren sein Lebenswerk, er selbst legt Hand an. Das ist beschämend.

Noch unerträglicher ist die Irrlehre, der Begriff des Exhibitionismus sei erst seit 2020 geklärt.

Mag sich die Öffentlichkeit über die offensichtlichen Widersprüche mokieren, ich selbst bin erschüttert über die Tatsache, dass er es gewagt hat, die gute Lehre in Zweifel zu ziehen.

Wahrscheinlich hat sich bis zu diesem deutschen Papst kein einziger Priester in aller Öffentlichkeit selbst demaskiert.

Retten wir sein Lebenswerk – vor ihm selbst. Und beten wir für seine arme Seele!

[1] EKD: EKD-Texte (abgerufen am 29.1.2022).

[2] Katechismus der Katholischen Kirche (vatican.va) (abgerufen am 29.1.2022).

[3] „Alle, die aus der Taufe gekrochen“ | chrismon (evangelisch.de) (abgerufen am 29.1.2022).

[4] KKK 2351; zitiert nach meiner Ausgaben von 2005.

[5] I Kor 6,9f.

[6] VS 47; Veritatis splendor (6. August 1993) | Johannes Paul II. (vatican.va) (abgerufen am 29.1.2022).

[7] KKK 2351.

[8] Exhibitionismus – Wikipedia (abgerufen am 29.1.2022).

[9] Seite 769; https://westpfahl-spilker.de/wp-content/uploads/2022/01/WSW-Gutachten-Erzdioezese-Muenchen-und-Freising-vom-20.-Januar-2022.pdf (abgerufen am 29.1.2022).

[10]A.a.O.: 756-776.

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