Die Ursache für meine Bekehrung vor 31 Jahren
Berlin, 19.Februar 2022
Meine Ehescheidung liegt 12 Jahre zurück. Da meine katholische Kirche meine zivilrechtliche Scheidung bis heute nicht anerkennt, ist es nicht so leicht, gewisse Neigungen zum schönen Geschlecht zu veratmen, sage ich einmal: kein One-Night-Stand, keine Huren, keine Pornografie und noch nicht mal wichsen. Gar nichts.
Das vierte Gebot allerdings hat es in sich, je nachdem. Es war nie leicht. Am letzten Januarwochenende vor einunddreißig Jahren erkannte ich, dass ich lieben muss, mit großen Schmerzen. Sonst komme ich aus dem Teufelskreis niemals heraus.
Im Folgenden will ich berichten, um dann auf Folgerungen für diejenigen zu kommen, die ebenfalls ihre Schwierigkeiten mit dem vierten Gebot haben.
- Modelleisenbahn
Im alten West-Berlin gab es die glorreiche Erfindung des Sperrmülls. Einmal im Jahr räumten die West-Berliner ihre alten Schätze – Möbel, Kleider, Spielzeug – auf den Straßenrand. Was für eine gigantische Entdeckungstour, besonders für Kinder. Da waren viele brauchbare Schätze darunter, neben Schrott, Müll und altem Tand.
Auch eine neue Modelleisenbahn von ‚Fleischmann‘[1] war darunter, viele Personenwagen und Güterwaggons. Mit Trafos und Gleisen und sogar Weichen. Ein geniales Geschenk eines jeden guten Vaters für seinen Sohn.
Ich muss damals sieben oder acht Jahre alt gewesen sein: es war damals das bisher größte Weihnachtsgeschenk meines Vaters an mich. So dachte ich jedenfalls.
Als ich meinem eigenen Sohn in meinem Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer eine ‚Piko‘[2]-Modellbahnanlage mit immerhin 35 Metern Gleislänge baute, die oberhalb meiner Bücherregale, also zwei Meter über Normalnull, quasi schwebte, erfuhr ich die Herkunft der ‚Fleischmann‘-Anlage.[3]
Voller Stolz führte ich sie meinem Vater vor, der abwinkte und mir die reine Wahrheit erzählte. Da war nichts von Gemeinsamkeit. Der Zauber einer heilen Welt sollte nicht sein. Selbst nicht im Modellmaßstab HO, Eins zu Siebenundachtzig.
Dreiundvierzig Jahre später verstand ich endlich, warum ich damals von meinem Vater für meine ‚Fleischmann‘-Modellanlage eine alte Pressspanplatte mit Hartplastikbeschichtung bekam, die er für die Küche nicht mehr brauchte. Und ich begriff, warum es mir nicht gelingen sollte, mit einem Drillbohrer[4] einen Kratzer darauf zu hinterlassen.
Bei so krasser Erfolglosigkeit gibt es keinen Holzstaub, keine Wunden und vor allen Dingen keinen Verlust seiner Lebenszeit.
Damals nahm ich mein vermeintliches Versagen persönlich: zwei linke Hände eben.
- Antiautoritäre Erziehung
Wenn Kinder immer ihren Willen bekommen, kann es niemals gut gehen. Der vermeintliche Respekt im Spruch ‚Das musst du entscheiden‘ ist keine Freiheit für Kinder, die die Folgen ihres Tuns niemals absehen können.
Ich habe als junger Erwachsener meine Zahnspangenbehandlung nachgeholt. Und ich habe als junger Erwachsener das Abitur über den Zweiten Bildungsweg nachgeholt, weil ich mit meiner Volljährigkeit vom Gymnasium abgegangen war.
Im Notendurchschnitt hatte ich eine ‚1,5‘, also viele Einsen und Zweien. Das war ungefähr das Niveau meiner Grundschulzeit. Auf dem Gymnasium sackte ich einfach ins Bodenlose ab, weil niemand half.
- Freie Liebe
Wenn bei den eigenen Eltern die Ehescheidung im Raum steht, ist es in der Pubertät nicht so einfach die Orientierung zu behalten. Mutters kleiner Helfer zu sein, hilft nicht bei der Annäherung an das andere Geschlecht.
Umso mehr, wenn diese Mutter meint, sexuelle Erfahrungen mit älteren Männern wären hilfreich. Im Alter von fünfzehn durfte ich solche Erfahrungen sammeln. Nicht von mir selbst ausgehend, sondern von meiner eigenen leiblichen Mutter.
Im Sommer, als ich sechzehneinhalb Jahre alt war, durfte ich nach einem Urlaub in Italien mit einem vierzig Jahre älteren Mann durch zwei liebe Studentinnen erfahren, dass ich Frauen gerne mag.
Sie haben mich buchstäblich aus den unfassbaren Fängen des alten Mannes entführt. Und die eine von ihnen sanft und zart und lieblich von der Tatsache überzeugt, dass Frauen meine Leidenschaft sind, jedenfalls im sexuellen Bereich.
An diese überirdisch schöne lauschige Sommernacht in einem Zelt zwischen zwei schönen jungen Mädchen erinnere ich mich heute noch. Unbeschreiblich, wenn mich diese beiden nicht quasi zur Wahrheit geführt hätten. Was sie an mir Gutes getan haben, werde ich ihnen niemals vergelten können.
- Die Befreiung Kuwaits
Meine Eltern stehen ziemlich weit links, für alte 68-iger ziemlich üblich. Als der irakische Diktator 1990 Kuwait überfallen hat, griff ihn am 16.Januar 1991[5] eine internationale Koalition unter Führung der USA und mit Rückendeckung des UN-Sicherheitsrates an.
Damals waren meine Eltern ganz anderer Meinung als ich. Ich war so froh, endlich nicht mehr ein Kommunist zu sein, denn ich freute mich wie viele andere auch über den Mauerfall und die Wiedervereinigung.
Ich wollte niemals mehr irgendeinem Totalitarismus frönen, weder links noch rechts. Ich wollte immer in der Mitte bleiben, ein guter Demokrat eben.
Es hat mir viel bedeutet, wenn quasi die Weltöffentlichkeit einhelliger Meinung ist. Wenn ein übler Schurke ein kleines Land überfällt, darf er damit nicht durchkommen. Und ob es dabei um Öl geht oder nicht: es ist krasses Unrecht.
Meine Eltern waren anderer Meinung als ich. So wie praktisch immer. Mich hat es wieder einmal schockiert. Ich fand und finde es bis heute unmoralisch. Und ich brach den Kontakt ab, einen ganzen Monat lang. Eigentlich wollte ich es nie wieder tun.
Und dann kam Gott in mein Leben. Ganz sanft und zart vernahm ich den Eindruck, dass ich lieben muss. Es war an einem Samstag bei einem Erste-Hilfe-Kurs, weil ich gerade meinen Führerschein machte. Schon am nächsten Morgen besuchte ich zum ersten Mal einen Gottesdienst.
- Größe und Grenze des vierten Gebotes
Weil unsere Eltern uns das menschliche Leben geschenkt haben, gilt das vierte Gebot unumschränkt.
Das Leben ist der Güter Höchstes.[6] Das ist die christliche Lehre von den irdischen Gütern.
Wir schulden also unseren Eltern, guten und bösen, immer Dankbarkeit und die nötige Ehre. Hier gilt die uneingeschränkte Dankespflicht.
Mit einer wichtigen Einschränkung, wie ich sie blutig erfahren habe: wie ebenfalls im Tötungsverbot gilt ein möglicher Vorbehalt, derjenige nämlich des Selbstschutzes.
Wir dürfen uns durch einen Mörder töten lassen, müssen es aber nicht.
Und auf unsere Eltern bezogen: wir dürfen unser Leben von ihnen zerstören lassen, können es allerdings ebenfalls vor ihnen schützen.
Die Größe des vierten Gebotes liegt in dem Bereich der Heimat, was schwer zu begreifen ist. Unsere Sichtweisen werden tief geprägt von demjenigen, was uns widergespiegelt wird. Ehe wir eigene unabhängige Erfahrungen machen, leben wir quasi auf Pump.
Das hat sich bei mir am Beispiel der Modelleisenbahn gezeigt, wo ich anfangs wirklich dachte, ich wäre handwerklich vollkommen ungeschickt. Und am Beispiel sexueller Erfahrungen zeigte sich, dass meine sexuelle Neigung vollkommen normal ist.
- Mein erster Ratschlag: Wachsamkeit durch tiefgreifende Bekehrung
Wer an der Seite einer Feministin aufwächst, die ihren Penisneid[7] offen bekennt, und wer an der Seite eines ökologischen Kleingärtners leben darf, der wahrhaft der Meinung ist, das Klo könne eines Tages im Wohnzimmer stehen, wenn alle vegan leben, der darf sich nicht wundern, wenn er seltsame Auffassungen jedenfalls am Anfang seines Lebens mit sich herumträgt.
Wir können niemals alles wissen. Manchmal tragen wir wie eine Schildkröte einen Panzer mit uns herum, der überall aneckt. Es ist nicht unser Panzer, sondern besteht aus den Lasten der Vergangenheit.
Die Gefahr ist immer, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Behutsamkeit ist hier wichtig.
Aber wie können wir das Schmutzwasser erkennen und von unserem inneren Kind trennen? Durch unsere eigene Bekehrung!
Erst einmal müssen wir bei uns selbst anfangen, denn durch vielerlei falsche Gewohnheiten sind mir mit unserer Vergangenheit verbunden. Manchmal sind es schlimme Bindungen an die Sünde.
Stehen wir vom Schlaf der Sünde auf[8], wie es der Völkerapostel Paulus meint, und schauen wir genau hin: leiden wir an der Sünde!
Denken wir daran: wenn wir die Sünde der anderen auf die leichte Schulter nehmen, können wir eines schrecklichen Tages daran zerbrechen.
Diese schlimme Sündenlast wird allerdings vor allen Dingen durch den großen Wunsch zur Vergebung verringert, selbst wenn dieser vollkommen einseitig erfolgt.
- Zweiter Ratschlag: Dem Verhängnis ins Gesicht sehen – und lernen
Objektiv haben Kinder aus intakten Familien allen anderen Kindern Vieles voraus. Wie an meinen beiden Beispielen (Modelleisenbahn und Sexualität) gesehen, müssen die arglosen Kinder erst einmal mit dem Vorlieb nehmen, was da ist.
Kinder haben eben gerade keine Wahl, weil sie die Dinge gerade nicht richtig einschätzen können.
Eltern wiederum, die ihre Kinder lieben, schützen sie in vielerlei Hinsicht. Niemand sollte vor die krassen Alternativen gestellt werden, alles Mögliche auswählen zu können. Selbst Erwachsene könnten da nicht mithalten.
Wer also begreift, dass nicht in ihm selbst, sondern in seiner Familie, in die er hineingeboren wurde, Einiges im Argen ist, muss lernen, sein Selbstbild in Frage zu stellen.
In meinem Fall waren meine beiden Erfahrungen (Modelleisenbahn und Sexualität), wenn ich sie endlich selbst machen durfte, positiv. Vielfach wissen wir allerdings gar nicht, woran wir sind. Seien wir also vorsichtig, überprüfen alles und lernen!
- Dritter Ratschlag: Partnerwahl zehnmal prüfen
Wer in einer schlechten Familie aufwächst, hat meist ein schwaches Selbstbewusstsein. Zu viele Menschen in dieser schlechten Familie möchten gerne, dass alles so bleibt, wie es ist. Was wiederum das Wachstum der Kinder behindert. So sind schlimmste Konflikte vorprogrammiert.
Wer bei der Partnerwahl nicht aufpasst, bekommt es manchmal mit einem Menschen zu tun, der die vorhandenen Familienprobleme verzehnfacht.
Denn wer in einer schlechten Familie aufwächst, der hat nicht Eltern, die auf der Seite ihrer Kinder stehen, sondern Konkurrenten um das Allernötigste.
Es gibt Eltern, wie an meinen beiden Beispielen gesehen, die ihren eigenen Kindern buchstäblich das Butter vom Brot wegnehmen: was hindert sie, ihr böses Spiel mit der Ehefrau ihrer Kinder zu treiben?
Hier muss man wirklich aufpassen. Nur wenn Kinder aus schlechten Familien gelernt haben, das böse Treiben ihrer Eltern zu durchschauen, können sie einen Partner für sich wählen, der ebenfalls immun ist.
Und diese Immunität besteht eben nicht in erlernten Psychotechniken, sondern durch das Blut Jesu Christi.
Denn nur wer ein reines Herz hat, kann das Böse durchschauen und dem Partner helfen. Normalerweise sollten die Eltern ihren Kindern helfen.
Wenn es nicht so ist, muss die Ehefrau besondere Qualitäten aufweisen: sie muss Übergebühr tapfer und treu sein, sonst spielen die Eltern der schlechten Familie mit ihr Katz und Maus.
- Mein Fazit
Eine christliche Familie ist geprägt von Liebe. Liebe wiederum fußt auf gegenseitigem Wohlwollen. Und Wohlwollen beruht auf Gerechtigkeit.
Eine Familie wiederum, in welcher die Eltern wie Hund und Katze zusammenleben, ist wie ein Haus, durch dessen Dach es beständig hereinregnet. Es ist ein Fass ohne Boden, ein großes Unglück.
Nur Jesus kann den Schmerz lindern, der ein Leben lang bleibt. Nur hierin kann der Sinn einer schlechten Familie gesehen werden, nur hierin allein: sie führt zu Jesus, der gelobt ist in alle Ewigkeit! Amen.
[1] Fleischmann (Unternehmen) – Wikipedia (abgerufen am 19.2.2022).
[2] Piko – Wikipedia (abgerufen am 19.2.2022).
[3] Modelleisenbahn im Wohnzimmer – Stephanus Berolinensis (abgerufen am 19.2.2022).
[4] Drillbohrer – Wikipedia (abgerufen am 19.2.2022).
[5] Zweiter Golfkrieg – Wikipedia (abgerufen am 19.2.2022).
[6] Hier muss man unserem deutschen Nationaldichter Friedrich Schiller widersprechen: Das Leben ist der Güter höchstes nicht, der Übel größtes aber ist die Schuld (de-academic.com) (abgerufen am 19.2.2022).
[7] Penisneid – Wikipedia (abgerufen am 19.2.2022).
[8] Vgl. I Thess 5,4-8.
