Viertes Gebot: Waffengewalt gegen den Angriffskrieg

Berlin, 5.März 2022

1. Persönliche Vorbemerkung

Ich selbst war zu Gedenkstättenfahrten in meiner Jugend, als ich noch Mitglied der SPD-Jugend ‚Die Falken‘ war, in Smolensk und Moskau; ich hege keinen Hass gegen das russische Volk. Das Gegenteil ist der Fall, da ich mich gründlich mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen auseinandergesetzt habe. Alle Vernichtungslager gegen so genannte Untermenschen im Osten Europas kann ich auswendig mit Namen aufsagen. Das Hausen der vier SS-Einsatzgruppen in Osteuropa kenne ich, z.B. durch einen guten Film von Elim Klimov[1], den ich dank meiner Zeit als Stalinist (Mitglied in der SEW, Sozialistische Einheitspartei Westberlins) gesehen habe.

Den so genannten wissenschaftlichen Atheismus zu überwinden, fiel mir am Morgen des 10.November 1989, als ganz West-Berlin voller Ostberliner war, ganz leicht: „Wahnsinn!“ war das geflügelte Wort damals. Wahnsinn war es und ist es, wenn über Nacht Mauern fallen. Nein, ich bin nicht überheblich und will nicht die ganze Welt demokratisch schulmeistern. Nein, Deutschlands Demokratie erstand aus den Ruinen zweier Weltkriege, die von meinem Land ausgegangen sind. Nein, Demokratie ist ein Prozess, der mit Lernen einhergeht, meistens über viele Jahrhunderte. Der Wahnsinn eines Menschen kann überwunden werden, manchmal durch Bekehrung. Mein Wahnsinn als Stalinist endete jedenfalls so.

Ja, ich glaube daran, dass Menschen lernen können: Deutsche. Und Russen mindestens ebenso.

2. Das vierte Gebot beinhaltet die Vaterlandsliebe

Ganz klar schreibt der so wunderbare ‚Katechismus der Katholischen Kirche‘: „Pflicht der Bürger ist es, gemeinsam mit den Behörden im Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Die Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten und entsprechen der Ordnung der Liebe.“[2]

Denn ganz genau ist es so, dass wir als Menschenkinder zwar von unseren leiblichen Eltern gezeugt werden, dies aber doch in einer Gesellschaft stattfindet, die unsere Eltern vorfinden. Unsere Eltern sind nicht die eigentlichen Erfinder unserer Sprache, Kultur und Tradition; sie geben sie bestenfalls an uns weiter.

Die geistigen und geistlichen Güter, die auf uns kommen, sind nicht minder schützenswert als unser eigenes Leben.

Daher ist die Vaterlandsliebe eine Dankespflicht, denn wir sind nur menschliche Wesen, weil wir eine Sprache sprechen und eine Kultur pflegen. Logo.

3. Die Regeln des gerechten Krieges

Gute Katholiken mögen den Frieden, durchaus. Und doch sind wir vollkommene Befürworter von Polizei und Militär, solange es jedenfalls das Böse, also Sünde, gibt auf diesem Planeten.

Deswegen steht im ‚Katechismus der Katholischen Kirche‘ weise und gerecht, was die Kirchenlehrer aller Zeiten gewusst haben: wann Kriege geführt werden dürfen und wann nicht.

Im Paragraf 2243 steht geschrieben: „Bewaffneter Widerstand gegen Unterdrückung durch die staatliche Gewalt ist nur dann berechtigt, wenn gleichzeitig die folgenden Bedingungen erfüllt sind: (1) daß nach sicherem Wissen Grundrechte schwerwiegend und andauernd verletzt werden; (2) daß alle anderen Hilfsmittel erschöpft sind; (3) daß dadurch nicht noch schlimmere Unordnung entsteht; (4) daß begründete Aussicht auf Erfolg besteht und (5), daß vernünftigerweise keine besseren Lösungen abzusehen sind.“[3]

4. Die vier Regeln des gerechten Krieges in der Ukraine

Zum ersten kann klar festgestellt werden, dass das Völkerrecht schwerwiegend verletzt wurde: durch russische Soldaten im Donezbecken[4] und auf der Krim seit 2014, durch den Aufmarsch einer gewaltigen Streitmacht seit November 2021 an den Grenzen der Ukraine und schließlich der heimtückische Überfall am 24.Februar 2022.

Zum zweiten kann jeder Zeitgenosse erkennen, dass die Ukraine vielleicht nicht jeden Wunsch Russlands in puncto Minsker Abkommen[5] erfüllt hat, aber sowohl vor dem 24.Februar als auch nach ihm nichts, aber auch gar nichts getan hat, um Russland zu provozieren. Ganz im Gegenteil schießt Russland Raketen auf die Ukraine ohne Zahl und will dessen demokratisch gewählten Präsidenten mir nichts dir nichts töten.

Zum dritten ist klar, dass der Krieg zwar nicht geordnet abläuft, aber dennoch Zivilisten – Frauen, Kinder und Ältere – geschont werden sollen: eine gewaltige Fluchtbewegung von jetzt eine Million Menschen hat begonnen und humanitäre Korridore[6] werden eingerichtet.

Zum vierten Punkt ist es schwierig eine Einschätzung zu geben. Die Nachbarn der Ukraine helfen den ukrainischen Flüchtlingen und mit Kriegsgerät, z.B. die Türkei mit Drohnen[7] sowie Polen, Bulgarien und Slowakei mit MIG-Kampfflugzeugen[8]. Die NATO-Staaten sind in Alarmbereitschaft, werden aber von direkten Kampfhandlungen durch die Atomwaffen Russlands abgeschreckt. Begreift man allerdings die Ukraine als rein europäisches Problem, so ist glasklar: wenn sich Europa nicht mit allen nur denkbaren Mitteln wehrt, bleibt es der immerwährende Spielball Russlands. Und, wenn die Russische Föderation zerfallen ist, anderen asiatischen Großmächten.

Zum fünften ist der Kampf Europas in der Ukraine beispielgebend: offensichtlich geht es nicht um Hass auf Russen, sondern um reine Selbstverteidigung. Der Machthaber im Kreml hat für die Einheit Europas mehr getan als alle anderen Staatsmänner.

5. Ausblick

Die Nachkriegsordnung von 1945, nicht von 1989, ist zerstört; mir nichts dir nichts. Die Antwort, was dieser blutige Schlamassel dem russischen Volk im Falle eines Sieges bringen würde, fällt mir nicht ein. Wladimir Putin brächte sie einen militärischen Sieg, der angesichts gewaltiger Überlegenheit null und nichtig ist.

Wir stehen vor einem gewaltigen Scherbenhaufen. Die asiatische Großmacht im ganz fernen Osten reibt sich die Hände: der eigentliche Sieger trägt einen chinesischen Namen.

[1] Komm und sieh – Wikipedia (abgerufen am 5.3.2022).

[2] KKK 2239.

[3] Katechismus der Katholischen Kirche (vatican.va) (abgerufen am 5.3.2022).

[4] Donezbecken – Wikipedia (abgerufen am 5.3.2022).

[5] Minsk II – Wikipedia (abgerufen am 5.3.2022).

[6] Ukraine-Ticker: Putin vergleicht Sanktionen mit Kriegserklärung | BR24 (abgerufen am 5.3.2022).

[7] Drohnen-Lieferung an die Ukraine: Welche Rolle spielen die Bayraktar TB2? – DER SPIEGEL (abgerufen am 5.3.2022).

[8] EU-Staaten stellen Ukraine Kampfjets zur Verfügung (aero.de) (abgerufen am 5.3.2022).