Gottesbeweis VIII

Logik und Weisheit: Zeit und Ewigkeit

Berlin, 22.April 2022

  1. Gödels Unvollständigkeitssatz

Es war der Mathematiker Kurt Gödel[1], der 1931 die Unvollständigkeit[2] von formal logischen Systemen erkannte und darüber in seinem berühmten Aufsatz ‚Über formal unentscheidbare Sätze der Principia mathematica und verwandter Systeme I‘ feststellte: „Es liegt daher die Vermutung nahe, daß diese Axiome und Schlußregeln dazu ausreichen, alle mathematischen Fragen, die sich in den betreffenden Systemen überhaupt formal ausdrücken lassen, auch zu entscheiden. Im folgenden wird gezeigt, daß dies nicht der Fall ist, sondern daß es […] sogar relativ einfache Probleme aus der Theorie der gewöhnlichen ganzen Zahlen gibt, die sich aus den Axiomen nicht entscheiden lassen.“[3]

Genau genommen gilt dies schon für die Klasse natürlicher Zahlen K, die Gödel bildet: dabei geht es um die mathematische Intuition der natürlichen Zahlen: jeder erkennt intuitiv, was natürliche Zahlen sind.

Natürliche Zahlen werden in der Addition genutzt: 1, 2, 3, 4 etc.[4]

Ist also ganz einfach möglich, die intuitiv gebildete Klasse der natürlichen Zahlen in der formalen Logik auszudrücken: n € K = Bew [R (n); n]

Es zeigt sich nun, dass eine beliebige natürliche Zahl q zwar intuitiv gesehen Teil der Klasse der natürlichen Zahlen K ist, aber der Beweis im formalen System PM ist nicht erbracht.

Gödel schließt daraus: „Es läßt sich überhaupt jede epistomologische Antinomie zu einem derartigen Unentscheidbarkeitsbeweis verwenden.“[5]

Gödel selbst nennt die „Antinomie Richard“ und den „‘Lügner‘“[6].

Über die Erweiterung des Systems lässt sich der unentscheidbare Satz dennoch entscheiden. Gödel stellt fest: „Der im System PM unentscheidbare Satz wurde also durch metamathematische Überlegungen doch entschieden.“[7]

  1. Intuition und Zeichen

Es ist dabei sicher höchst einfach, den Unvollständigkeitssatz von Kurt Gödel von der mathematischen formalen Logik auf die philosophische Logik zu übertragen[8].

Und noch einfacher ist es, ihn auf die Grundschwierigkeit jedes Zeichen-Systems, also auf Zeichen wie Worte, Zahlen etc. herunterzubrechen.

Ein Zeichen ist nur dann ein Zeichen, wenn es etwas Anderes bedeutet, als es selbst ist.[9] Das Wort ‚Eins‘ soll ein sprachlicher Ausdruck für die Zahl ‚1‘ sein. Zufällig ist das Wort ‚Eins‘ ein einzelnes Wort.

Wenn ich als Sender mich zeichenhaft ausdrücke, dann verstehe ich selbst intuitiv, was ich meine. Der Empfänger meines Zeichens kann allerdings daraus nicht eineindeutig verstehen, was ich meine.

Das Zeichen verweist auf etwas Anderes als es selbst, aber es ist selbst etwas, das so definiert werden muss. Das meint Gödel mit Beweis bzw. Definition.

So ist die Definition der Speisekarte selbst etwas, das definiert werden muss. Die Definition der Definition der Speisekarte wiederum ist damit nicht gegeben. Das führt zu unendlicher Klassenbildung, die nur möglich ist, wenn beide – Sender und Empfänger – die gleiche Intuition teilen.

Eigentlich müssen Sender und Empfänger die gleiche Intuition teilen, aber sie wissen es nicht, denn der Empfänger kann ja nicht die Intuition des Senders sehen, er kann sie nur mit Hilfe von Beweisen nachvollziehen.

  1. Halte-Problem und Glaube

Dem Grundsatz nach ist jedes Zeichensystem unendlich unvollständig, weil immer der n-Beweis letztlich fehlen muss.

Es ist letztlich die Entscheidung des Empfängers, ob er dem System S des Senders über den Weg traut und sozusagen das Gespräch abbricht, indem er der Intuition des Senders vertraut.

Oder um es in der Sprache des christlichen Glaubens zu sagen: wir glauben der Liebe Gottes, wenn wir der christlichen Lehre vertrauen.

Die Zeichen erläutern die Voraussetzungen (Prämissen) meiner Gedanken, die wiederum vor meinen Zeichen liegen.

Wer meine zeichenhaft ausgedrückten Gedanken teilt, teilt meine Prämissen.

  1. Glauben und Wahrheit

Eigenartig ist, dass es nur möglich ist, einem unvollständigen System S zu vertrauen, wenn wir überhaupt Vertrauen haben. Wenn der Empfänger kein Vertrauen zum System S findet, bleibt er im unendlichen Rückfragen stecken: im progressus in infinitum.

Denn nur in der Wahrheit, macht ein System S Sinn. Und nur dann macht Vertrauen Sinn.

  1. Raumzeit und Ewigkeit

Wenn es stimmt, dass unsere Vernunft Aussagen mit ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ bewertet, dann stimmt es auch, dass die Raumzeit, in der geurteilt wird, getragen sein müssen, von etwas, das über die Raumzeit hinausgeht: etwas über sie Hinausweisendes und Ewiges.

Denn jede Aussage gleicht einem Punkt, also einem Einzelding, das dadurch im Widerspruch zum Kontinuum steht.

Denn jede Entscheidung ist braucht einen Zeitpunkt in der Raumzeit, von dem wiederum auf das Bisherige geschaut werden kann.

Ein Zusammenhängendes (Kontinuum) kann also der Raumzeit nicht unterworfen sein.

  1. Fazit

Einfachste philosophische Überlegungen lassen uns unsere Grenzen erfahren und geben der christlichen Weisheit, wonach alle Erkenntnis Stückwerk ist, Recht, wie es der heilige Völkerapostel Paulus schreibt: „Stückwerk ist unser Erkennen“ (I Kor 13,9a: ἐκ μέρους γὰρ γινώσκομεν ).

Und es muss im Menschen etwas angenommen, das über die Raumzeit hinausgeht: die ewige Seele.

[1] Kurt Gödel – Wikipedia (abgerufen am 21.4.22).

[2] Gödelscher Unvollständigkeitssatz – Wikipedia (abgerufen am 21.4.22).

[3] Kurt Gödel, Über formal unentscheidbare Sätze der Principia mathematica und verwandter Systeme I, Collected Works I (Deutsch-Englisch), 144-195, New York 1986, 144.

[4] Natürliche Zahl – Wikipedia (abgerufen am 21.4.22).

[5] Gödel, a.a.O., Fußnote, 14, 148.

[6] Gödel, 148.

[7] Gödel, 150.

[8] Vgl. Horst Wessel, Berlin 1998, 26.

[9] Zeichen – Wikipedia (abgerufen am 21.4.22).

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