Was uns die Berliner Luftbrücke lehrt
Berlin, 7.Mai 2022
- Vorbemerkung
Wir West-Berliner haben eine große Heldentat vollbracht, die allen Menschen auf der Welt im Gedächtnis geblieben ist.
Der sozialdemokratische (!) Bürgermeister Ernst Reuter hatte damals gesagt: „Ihr Völker der Welt […] schaut auf diese Stadt“[1]!
Es geht um die Berlin-Blockade vom Juni 1948, also drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.[2]
Es war der sowjetrussische Diktator Stalin, der das Wohlverhalten der Deutschen erpressen wollte, denn er riegelte die Grenzen nach West-Berlin wegen der bundesrepublikanischen Währungsreform ab. West-Berlin, ein Bundesland der Bundesrepublik, sollte die D-Mark nicht bekommen.
Ein Diktator wollte also zeigen, welche Macht er besaß, um letztlich nicht allein in West-Berlin mitzuregieren, sondern vor allen Dingen in der noch jungen Bundesrepublik. Es ging letztlich um die Finnlandisierung Deutschlands, um die West-Bindung zu verhindern.
Die NATO selbst wurde ein knappes Jahr später gegründet: im April 1949.[3] Die junge Bundesrepublik wurde 1955 Mitglied.[4]
- Die Situation West-Berlins zur Berlin-Blockade
Vierzehn Trümmerberge zeugen von der fast vollständigen Zerstörung Berlins im Zweiten Weltkrieg: „Vor dem Krieg gab es in Berlin 1.562.641 Wohnungen, nach dem Krieg konnten nur 370.000 davon sofort bewohnt werden. Gut 380.000 Wohnungen waren leicht beschädigt. Aber über 500.000 Wohnungen waren total zerstört worden und gut 100.000 galten als schwer beschädigt. Mehr als 50 Prozent der Wohnungen in den Innenstadtbezirken Mitte und Tiergarten waren komplett oder zumindest schwer zerstört.“[5]
Die Europäische Union war noch nicht gegründet. Die alliierten Westmächte waren sich nicht sicher, ob sie Westdeutschland nicht in einen riesigen Kartoffelacker verwandeln sollten, weil es auch um gewaltige Reparationsleistung ging: im Raum stand, die gesamte Industrie zu demontieren.[6]
Die Feinde im Zweiten Weltkrieg waren noch nicht zu Freunden geworden. Zwei Monate vor der Berlin-Blockade startete der Marschall-Plan.[7]
Die Lage in West-Berlin war nicht einfach. Und es war nicht klar, ob die Alliierten geneigt waren, den Berliner Hungerleidern nachzugeben.
Letztlich ging es um das freie Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes, in Sonderheit der West-Berliner: dürfen wenigstens die West-Berliner das bekommen, was den Ostdeutschen versagt war?
Stalin zielte letztlich auf die Destabilisierung der Bundesrepublik, die vor allen Augen nicht einfach gedemütigt wäre, sondern deren ultima ratio, die Staatsgewalt selbst, in Frage gestellt war.
Würde Stalin mit seinen Machtspielen gewinnen, wäre Westdeutschland immer erpressbar, schon alleine durch die erneute Schließung der West-Berliner Grenzübergänge, denn den Ring um West-Berlin herum beherrschte Stalin ja weiterhin.
West-Berlin ragte wie eine winzige Insel, ein Pfahl im Reich des Kommunismus, in Ostdeutschland hervor.
- Gewaltiges Erpressungspotential in der Ukraine
Hätten damals die West-Berliner nicht eindeutig, ihren Willen zur demokratischen Selbstbestimmung bekundet, indem sie lieber verhungert und erfroren wären, als sich von Stalin knechten zu lassen, hätte dies sicher Stalin ermutigt, mehr zu fordern.
Die West-Berliner wollten lieber in Freiheit und Gerechtigkeit ihr Leben selbst bestimmen, als sich von einem roten Diktator zur Geisel nehmen zu lassen, um letztlich Westdeutschland zu knechten.
Und genau das ist der Grund, warum es jetzt darum geht, einen möglichst deutlichen Sieg der Ukraine zu ermöglichen.
Putin will nur zu einem geringen Teil seine Machtbasis erweitern. Das größere Ziel ist die Schwächung der Europäischen Union – durch die Überschwemmung mit Millionen Flüchtlingen und durch eine Ukraine, die immer ein eiternder Brandherd in Europa bleiben soll.
- Altes Europa versus Neues Europa
Wo wären wir, wenn die Ukrainer so über sich selbst gedacht hätten, wie wir über sie gedachten haben?
Niemand im Alten Europa hat am 24.Februar 2022, am Tag von Putins Angriffskrieg, auf die Verteidigungsfähigkeit der ukrainischen Armee auch nur einen Dollar gegeben, niemand.
Wahrscheinlich deshalb, weil das Alte Europa nicht nur an der Anbetung seines Mammons krankt, sondern aufgrund von flagranter Vergreisung an Gehirnverkalkung, denn wir – die Völker Mittel- und Westeuropas – hätten die Flinte ins Korn geworfen, weil wir mit unserem Pessimismus offenbaren, wes Geistes Kind wir sind. Um unsere Wohlstandsverwahrlosung zu retten, hätten wir die Flinte ins Korn geworfen.
Nein, unsterblich bleiben die Heldentaten der beiden Klitschko-Brüder, die in Kiew ausharrten.
Unsterblich ist der ukrainische Präsident, der unermüdlich Waffen fordert, statt sich selbst zu retten.
Und unsterblich sind die ukrainischen Soldaten, die genau das Kriegsschiff, das die Schlangeninsel okkupierte, einige Wochen später versenkten.
Und noch viel unsterblicher sind die vielen ukrainischen Farmer, die das russische Kriegsgerät mit ihren Traktoren abschleppen, um Panzer zu Agrarmaschinen umzuwandeln.
Unsterblich sind die Ukrainer, weil das Recht auf freie Selbstbestimmung unsterblich ist. Die Angst vor Atomwaffen ist die Angst vor dem Diktator. Und Angst ist kein Grund zu leben.
- Die Frage aller Fragen: ist ein Leben ohne Freiheit lebenswert?
Wenn die Bürger einer zerstörten Großstadt wie Berlin lieber frieren und hungern, dann muss allein die Idee der Freiheit so groß sein, dass sie jeden Materialismus überwindet.
Wahrscheinlich deshalb, weil das Leben schlechthin nur in Freiheit Sinn macht, denn wir sind nicht geboren, um nach der Pfeife eines Diktators zu tanzen.
Die Überwindung von Hunger und Kälte bedeutet auch: die Vorstellung des Naturrechts, wonach jeder Mensch frei geboren ist, ist keine Idee aus weltfremden Salons von modischen Intellektuellen, sondern Gedankengut eines jeden Menschen.
Oder wie es im ‚Freiheitsschwur‘ unserer ‚Berliner Freiheitsglocke‘ heißt: „Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen.“[8]
- Freiheit von Gott
Der einzige Grund, warum wir uns heute so träge dahin bewegen ist wohl alleine darin zu sehen: die Bevölkerung Berlins bestand einmal aus Christen, die wussten, dass uns Gott die Freiheit geschenkt hat, weil alle Menschen von Gott geschaffen wurden.
Das ist ein Wissen, das uns die Ukrainer voraushaben, denn sie sind zutiefst christlich: wollen wir uns nicht endlich bekehren, um unserem Gott zu danken, dass Er uns die Freiheit geschenkt hat?
[1] Ernst Reuters Rede am 9. September 1948 vor dem Reichstag – Berlin.de (abgerufen am 30.4.22).
[2] Berliner Luftbrücke – Wikipedia (abgerufen am 30.4.22).
[3] NATO – Wikipedia (abgerufen am 30.4.22).
[4] Konrad-Adenauer-Stiftung – Geschichte der CDU – Konrad Adenauer unterzeichnet die Beitrittsurkunde zur NATO (kas.de) (abgerufen am 30.4.22).
[5] Ausgebombt! Eine Zeitreise ins kriegszerstörte Berlin | bpb.de (abgerufen am 30.4.22).
[6] Morgenthau-Plan – Wikipedia (abgerufen am 30.4.22).
[7] Marshallplan – Wikipedia (abgerufen am 30.4.22).
[8] Die Freiheitsglocke im Rathauses Schöneberg – Berlin.de (abgerufen am 7.5.22).
