Gottesbeweis XI

Warum wir die Königsherrschaft Christi brauchen

Berlin, 14.Mai 2022

  1. Vorbemerkung

Am letzten Sonntag, den 8.Mai 2022, habe ich wieder einmal gute Taten vollbracht und fünf Einkaufswagen ihrem Eigentümer zurückgebracht: zwei von ‚Lidl‘, zwei von ‚Hit‘ und einer von ‚Edeka‘. Dieses Jahr sind es schon 25, die ich zurückgebracht habe (siehe Titelfoto). Im letzten Jahr 2021 waren es insgesamt 56. Rein statistisch ist es also nochmals eine kleine Steigerung. Innerhalb des rein statistisch reichsten Berliner Stadtbezirkes Steglitz-Zehlendorf gibt es innerhalb eines Karrees zwischen Hindenburgdamm, Birkbuschstraße, Albrechtstraße und Schlossstraße 56 Menschen, die fremdes Eigentum entwenden und nicht wieder zurückbringen.

Es geht also um eine kriminelle Mischung von Vandalismus und Diebstahl. Mitten am Tag, denn es dürfte sich um Menschen handeln, die gekauftes Eigentum in diesem fremden Eigentum transportierten, meistens in der Nähe von Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs. Und immerhin beträgt der Wert solcher Einkaufswagen, je nach Größe, 100-200 Euro. Ziemlich große Diebstähle mitten am Tag in belebten Straßen, denn alle vier genannten sind ziemlich große, drei Ausfallstraßen Richtung Brandenburg, eine Einkaufsstraße mit dabei.

Ich hatte vermutet, dass mir dem Wegfall der Covid-19-Schutzmassnahmen die Berliner wieder ziviler miteinander und fremdem Eigentum umgehen würden. Weit gefehlt.

Stellen wir nochmals fest: mitten am Tag, wenn alle Berliner einkaufen, gibt es Berliner, die kriminell handeln. Und einen Berliner von Tausenden, der das sieht und seit mehreren Jahren das Eigentum zurückbringt. Einer von Zehntausenden, statistisch gesehen. Zwei Augen von Zehntausenden von Augen.

Als Christ überlege ich mir seit vielen Jahren, ob das Absinken des christlichen Grundwasserspiegels, also das einfache Nicht-Wissen oder sogar Leugnen von Gott, etwas mit der Verlotterung, ja Kriminalisierung, des Alltags zu tun hat.

  1. Die Liebe will dem Anderen Gutes tun

Liebe ist nach der Definition des Philosophen Aristoteles dem anderen „Gutes tun“(Rhetorik  4 B).

Wohlgemerkt: es ist der heidnische Philosoph Aristoteles, der meint, Liebe will dem anderen „Gutes tun“. Es geht hier also nicht um überhöhte Gefühlsausdrücke im Überschwang, sondern um etwas, was den Alltag prägt. Schon jetzt.

Wenn der griechische Heide, der knapp 300 Jahre[1] vor Jesus lebte, das wusste, geht es also um etwas, was wir alle wissen können.

Unserem Mitmenschen Gutes zu tun, heißt ihn zu lieben. Das gilt in der Ehe und für die Freundschaft untereinander. Und es gilt natürlich darüber hinaus: für die Christen.

Aristoteles gibt diese Definition für die Freundschaft. Anwendbar ist sie darüber hinaus: für alle Menschen.

In eine Familie sind wir hineingeboren. Ehe und Freundschaft sind freiwillige Bindungen.

  1. Weil Gott Vater ist, sind alle Menschen Seine Kinder

Wir Christen meinen, einen Gott zum Vater zu haben, der uns geschaffen hat und uns will. Deshalb beten wir im Gebet des ‚Vaterunsers‘: „Unser Vater im Himmel“(Mt 6,9: Πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς  ).

Weil Gott gut ist, ist es Seine Schöpfung ebenfalls. Und weil wir Kinder Gottes sind, sind wir dazu verpflichtet, ebenfalls gut zu sein.

Damit wir in den Himmel gelangen können, müssen wir die Gebote Gottes einhalten. Deshalb fordert Jesus in seiner wunderbaren Bergpredigt: „damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“(Mt 5,45: ὅπως γένησθε υἱοὶ τοῦ πατρὸς ὑμῶν τοῦ ἐν οὐρανοῖς, ὅτι τὸν ἥλιον αὐτοῦ ἀνατέλλει ἐπὶ πονηροὺς καὶ ἀγαθοὺς καὶ βρέχει ἐπὶ δικαίους καὶ ἀδίκους.)

Weil alle Menschen letztlich Gottes Kinder sind, haben die wiedergeborenen Kinder Gottes, die Christen, die Pflicht, alle Menschen zu lieben.

Gott ist der Schöpfer von allem, was ist. ER will die Liebe zu allen Seinen Geschöpfen.

  1. Die Einfachheit der Nächstenliebe

Jesus lehrt uns, was Liebe ist, in seiner ‚Goldenen Regel‘: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“(Mt 7,12a: Πάντα οὖν ὅσα ἐὰν θέλητε ἵνα ποιῶσιν ὑμῖν οἱ ἄνθρωποι, οὕτως καὶ ὑμεῖς ποιεῖτε αὐτοῖς· )

Wir sollen uns als in unseren Nächsten hineinversetzen und mit dessen Augen die Welt sehen und uns fragen: „Was will ich, wenn ich an Stelle meines Nächsten wäre?“ und „Was brauche ich, wenn ich in der Lebenslage von ihm wäre?“

Wir sollen also verstehen lernen, was unser Nächster gerechterweise braucht. Weil wir uns alle selbst lieben. Die Grundlage der Nächstenliebe ist ganz einfach: die gerechte Selbstliebe. Es gibt keine Ausreden.

Das Grundgesetz im Reich Gottes ist die Nächstenliebe, die geübt wird, weil wir die Liebe zu uns selbst genauestens kennen. Es gibt keine Ausreden.

Das Reich Gottes breitet sich immer dann aus, wenn wir unseren Nächsten lieben. Und Gott will, dass wir unseren Nächsten lieben.

Der Nächste wiederum ist derjenige, den mir Gott über den Weg schickt. Nicht ich suche mir aus, wer mein Nächster ist, sondern Gottes Wege zeigen mir meinen Nächsten.

Die Nächstenliebe ist also ein Gebot, das für alle Christen gilt – und zugleich eines, das gerade nicht überfordert, weil es in Beziehung zum Weg mit Gott steht. Dieser Gott schenkt mir den Nächsten: Auf meinem Weg mit Gott.

Die Nächstenliebe ist also kategorisches Gebot, aber deshalb kein Gesetz, weil jedes einzelne Individuum es unterschiedlich anwenden soll.

Relationale Individuation quasi: die Wege Gottes mit mir sind nicht Zufall, sondern Geschenk in einer Beziehung (Relation). Und ich als Ebenbild Gottes antworte auf das Gebot höchst unterschiedlich, eben individuell (Individuation).

  1. Ius Divinum versus Bürgerliches Recht

Hier sehen wir schon die unterschiedliche Geltungsweise, der beiden Rechtsansprüche. Das göttliche Recht, ius divinum, erstreckt sich auf die gesamte Schöpfung: Gott will alle. Alle Christen sind verpflichtet, brüderlich für alle anderen mit zu denken und zu sorgen.

Das Bürgerliches Recht, ius civilium, wiederum braucht Gesetze und einen Staat, der diese Gesetze durchsetzt.

Vor allen Dingen braucht das Bürgerliche Recht Bürger, die Augen haben. Diese Bürger müssen nämlich Missstände erkennen und entsprechend handeln.

Dieses Rechtsgrundsatz nennt man: „Wo kein Kläger, da kein Richter“(nullus querens, nullus iudex).

Gott sieht alles in Seiner Allwissenheit. Wenn allerdings zehntausend menschliche Augen sehen und doch nicht sehen, dann kann kein Recht geschehen.

Wenn alle Bürger wegschauen, dann hat das Recht keine Chance. Egal, wie schnell der Staat über sein Ordnungsamt dem Vermüllen wehrt.

  1. Warum werden Christen für das Gute gehasst?

Damit zehntausend Augen wegschauen können, brauchen sie eine Kraft. Dabei ist es höchst eigenartig nach dieser Kraft zu fragen.

Denn einen Einkaufswagen des Sonntags als gute Tat bei gutem Wetter seinem Eigentümer zurückzubringen, kann Spaß machen.

Keinen Spaß macht es sicher, die Augen abzuwenden und seines Weges zu gehen. So zu handeln, braucht eine Begründung. Und für diese Begründung eine Energie.

Es ist wahrscheinlich die Verachtung für denjenigen, der seine Stadt verschandelt und den Einkaufswagen rein egoistisch abstellt.

Und es ist vielleicht sogar Hass, weil es Menschen gibt, die sich an keine Regeln halten wollen. Diese Verachteten sind wohlhabend und kerngesund, denn sie konnten einkaufen und einen Einkaufswagen schieben. Und sie überlassen die Drecksarbeit, das Zurückschieben, anderen.

Eigenartig nur, dass diese Verachtung zu nichts führt, jedenfalls zu nichts Gutem. Denn die Zehntausend tun ja nicht das Gute und räumen den Müll weg.

Wenn nun ein Christ, die Eigentumsverhältnisse wiederherstellt und dem Vandalismus wehrt, müssten man annehmen, dass ihm Dankbarkeit entgegenschlägt.

Das ist mitnichten der Fall. Eine Frau hat sich im letzten Jahr bedankt. Die meisten halten mich für einen Narren, der mindestens fragwürdig ist, vielleicht sogar geistesgestört.

Es ist eine geistige Kraft, die dahintersteht, wenn Zehntausend Augen bewusst wegschauen. Wahrscheinlich ist es mehr als nur Verachtung für andere, wahrscheinlich ist es Hass. Vielleicht Selbsthass, weil ich selbst nicht fähig bin, mit einfachen Mitteln für Ordnung zu sorgen.

Ja, ein sonntäglicher Spaziergang mit einem Einkaufswagen vorweg ist ein einfaches Mittel.

Paulus fordert in seinem Brief an die Epheser: „und habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen, deckt sie vielmehr auf!“(Eph 5,11: καὶ μὴ συγκοινωνεῖτε τοῖς ἔργοις τοῖς ἀκάρποις τοῦ σκότους, μᾶλλον δὲ καὶ ἐλέγχετε. )

  1. Die Königsherrschaft Christi ist notwendig

Wenn Christen gute Werke tun, also zum Beispiel das Eigentumsdelikt der Entwendung von Einkaufswagen quasi aus der Welt schaffen, dann fühlen sie sich gut.

Sie hassen den Delinquenten nicht, sondern lieben es, das Unrecht gut zu machen. Und die Christen lieben das Gut des Nächsten, hier das Eigentum des Supermarktes, den Einkaufswagen.

Wir Christen sind das Ja zu allen Menschen, deshalb sind wir sogar im Hass glücklich, nicht über den Hass, sondern weil wir den Hass überwinden.

Wir Christen sind in allem ein Ja, wo die Weltmenschen ihr Nein findet. Wir Christen leben besser, weil die Liebe erfinderisch macht. Das weckt Neid.

Und eigenartig genug: wir haben das Heilmittel für unsere Feinde – die Bekehrung!

  1. Fazit

Gott will das Gute für die ganze Welt: 100%.

Die Weltmenschen wollen es vielleicht, wenn es sie unmittelbar betrifft: alleine zum Überleben. Ansonsten schauen sie weg.

Wir Christen tun das Gute für alle Menschen: wir teilen das, was wir haben, mit allen.

Die Königsherrschaft Jesu ist das, was der Welt fehlt!

[1] Aristoteles – Wikipedia (abgerufen am 14.5.22).

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