Amo ut intelligam
Berlin, 16.Juli 2022
Schon der heilige Anselm von Canterbury hat den Zusammenhang von Wahrheit und Moral gesehen.
- Die Liebe nach Aristoteles: Freundschaft
Aristoteles definiert die Freundschaft so: Liebende „wollen uns Gutes tun“[1].
‚Gutes‘ ist ganz einfach so zu verstehen, dass es sowohl das Lebensnotwendige betreffen kann als auch etwas, was nur Freude bereitet.
In jedem Fall können wir sagen: das Tun des Guten ist nach oben unbegrenzt, aber soll dem Geliebten in keinem Fall schaden, was den Liebenden selbst einschließt. So entsteht Gegenseitigkeit.
Der enge Kreis der Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit, was die Wahl der Freunde zum Freund bedeutet; Freundschaft ist kündbar, wenn die Gegenseitigkeit der Interessen nicht mehr gegeben ist.
- Die Liebe nach Jesus Christus: alle Menschen sind Freunde Gottes
Jesus Christus erweitert den Kreis der Liebenden, indem er alle Menschen zu seinen Freunden erwählt, angefangen bei den Aposteln: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“(Joh 15,14; ὑμεῖς φίλοι μού ἐστε ἐὰν ποιῆτε ἃ ἐγὼ ἐντέλλομαι ὑμῖν. )
Und ER will alle: „Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“(Mt 28,19f; πορευθέντες οὖν μαθητεύσατε πάντα τὰ ἔθνη, βαπτίζοντες αὐτοὺς εἰς τὸ ὄνομα τοῦ πατρὸς καὶ τοῦ υἱοῦ καὶ τοῦ ἁγίου πνεύματος, διδάσκοντες αὐτοὺς τηρεῖν πάντα ὅσα ἐνετειλάμην ὑμῖν· καὶ ἰδοὺ ἐγὼ μεθ’ ὑμῶν εἰμι πάσας τὰς ἡμέρας ἕως τῆς συντελείας τοῦ αἰῶνος.)
- Warum sind alle Menschen Freunde Gottes?
Es sind alle Menschen Freunde Gottes, weil sie von Gott erschaffen wurden, angefangen bei Adam.
Deshalb sagt der Völkerapostel Paulus: „Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn“(Epheser 5,29a; Οὐδεὶς γάρ ποτε τὴν ἑαυτοῦ σάρκα ἐμίσησεν ἀλλ’ ἐκτρέφει καὶ θάλπει αὐτήν).
Und selbst wenn wir nicht bei Adam und Eva anfangen, so muss doch jeder Mensch bekennen, dass er Fleisch vom Fleisch seiner Eltern ist, die ihn gezeugt haben.
- Warum tun die Bösen das Gute nicht?
Und so gilt das vierte Gebot der Verehrung der eigenen Eltern, die uns ja gezeugt haben. Paulus schreibt von allen Menschen, sie seien „ungehorsam gegen die Eltern“(Römer 1,30c; γονεῦσιν ἀπειθεῖς)
Es ist nicht gut, das Gute nicht zu tun, denn es ist unvernünftig. Und Unvernunft ist unbegründbar. Paulus schreibt: „sie sind unverständig“(Römer 1,31a; ἀσυνέτους).
Die Bösen tun das Gute gerade nicht und behalten es für sich: das ist unvernünftig, denn sie lieben nicht ihren Nächsten, sondern „die Begierden ihres Herzens“(Römer 1,24a; ἐπιθυμίαις τῶν καρδιῶν αὐτῶν).
Der Zustand der Sünde ist ein solcher der Verwirrung und unvernünftig, denn er führt letztlich zum Selbsthass. Will der Mensch alle Begierden seines Herzens ausleben, so sind seine menschlichen Beziehungen dem launischen Spiel des Zufalls unterlassen.
- Das Gut des Lebens schenken wir uns nicht selbst
Da wir uns das eigene Leben nicht selbst schenken können, müssen wir bekennen, dass wir von anderen Menschen zu Dank verpflichtet sind.
Ohne Pflicht geht es eben nicht. Und diese Dankespflicht gilt absolut: angefangen von den Eltern bis hin zu anderen sozialen Beziehungen.
- Das Tun des Guten ist vernünftig
Die Bekehrung zu Gott und seinen Geboten ist also vernünftig, jedenfalls dann, wenn wir Menschen sind, die für das Geschenk des Lebens dankbar sind: zuerst unseren Eltern und sodann Gott, der Adam und Eva erschaffen hat.
Dieser Gedanke ist auch dann gültig, wenn wir die Rückbindung an Adam und Eva nicht teilen.
- Die Bekehrung zu Gott schenkt wahre Erkenntnis
So gesehen schenkt erst die Bekehrung zu Gott die wahre Erkenntnis des Guten und wie wir das Gute in uns und in der Gesellschaft bewahren können.
Die Erkenntnis Gottes ist also der Beginn der Weisheit, weil er uns von den ‚Begierden des Herzens‘ befreit.
[1] Rhetorik B, 4,14, zitiert nach: Aristoteles, Rhetorik, reclam UB 19397, Ditzingen 2018, 169.
