Analogie, Logik und Glaube
Berlin, 18.November 2023
- Die Definition des Zenonschen Bewegungsparadoxes
Wikipedia zitiert Zenon von Elea: „‘Das Bewegte bewegt sich weder in dem Raume, in dem es ist, noch in dem Raume, in dem es nicht ist.‘“[1]
Das ist natürlich widersprüchlich. Wenn von einem Gegenstand eine „Änderung des Ortes“[2], also Bewegung, ausgesagt wird, dann heißt es hier: dort ist es zwar, aber es bewegt sich nicht; und dort ist es ebenfalls nicht, weil es dort nicht ist.
Genau gesagt: wir drücken die Bewegung eines Gegenstandes in Raum und Zeit so aus, als würde sich der Gegenstand nicht bewegen.
Wer also unsere Worte wahrnimmt, muss zu einem gegenteiligen Schluss kommen, den der Wortsinn meint.
Woran kann es liegen, dass Zeichen, also Worte, eine Veränderung, z.B. des Ortes, nicht adäquat ausdrücken können?
- Logik und Syllogistik
Der syllogistische Schluss beruht auf Prämissen, denen ein Sein zugesprochen wird: der ist-Zustand.
Ein Zustand wiederum ist nicht veränderbar, jedenfalls nicht im Rahmen eines syllogistischen Schlusses.
Denn sonst gilt der Satz: „ex contradictione sequitur quodlibet“[3] (aus einem Widerspruch folgt Beliebiges.
Anders ausgedrückt: um eine logische Aussage zu treffen, muss ein Zustand festgestellt werden können.
Und ein Zustand kann ipso facto eben keine Bewegung sein, ergo keine Veränderung.
Logik und Bewegung schließen sich aus.
- Analogie und Logik
Jeder denkende Mensch weiß um das, was wir Bewegung, Veränderung des Ortes, nennen, wenigstens beim Aufstehen aus dem Bett auf dem Weg zur Kaffeemaschine.
Voraussetzung für das Wissen um Veränderung ist die Selbstidentität des erkennenden Subjekts. Auf meinem Weg vom Bett in die Küche nehme ich verschiedene Reize wahr, z.B. andere Räume durch meine Augen.
Trotz meiner eigenen Ortsveränderung durch meine eigene Bewegung bleibe ich der Gleiche. Nur weil meine Identität die gleiche bleibt, während ich das Bett verlasse, um die Kaffeemaschine anzustellen, erkenne ich meine eigene Bewegung.
Anders gesagt: etwas in mir, muss unendlich sein, damit ich das Endliche erkennen kann. Denn nur etwas Unendliches ist fähig, Endliches zu fassen: infinitum capax finitum.
Das Unendliche ist sozusagen ein Begriff, der alles Endliche umfasst.
Rein logisch gesehen muss etwas in mir sein, was mir eine Identität gibt, die über meine bloßen Reizempfindungen hinausgeht und mich erkennen lässt, dass ich derselbe bin, der vom Bett aufsteht und in die Küche geht.
Bliebe ich nicht der Gleiche, könnte ich die Änderung des Ortes, meine eigene Bewegung, erkennen.
Wir können also von unserer Selbstidentität während einer Veränderung auf die gleichbleibende Identität eines anderen Gegenstandes schließen, der ebenfalls einer Veränderung unterworfen ist.
Das ist nichts weiter als ein intuitiver Analogieschluss: was in mir ist, kann ebenfalls mit etwas Anderem geschehen.
- Die Selbstidentität des Menschen: Seele
Wir wissen also um die Veränderung von uns selbst und den Dingen außerhalb von uns selbst. Zeichenhaft in Worten können wir eine Veränderung nur unvollkommen, ja missverständlich ausdrücken
Ist-Aussagen sind Teil der Logik, die wiederum eindeutig Zeit und Raum unterworfen sind. Und diese sind endlich.
Wer also wirklich logisch denken will, kommt um den Glauben an die unsterbliche Seele nicht herum.
Es ist die unendliche Seele, die das Endliche umgreift.
So wichtig die Logik als Teil der Vernunft ist, so klar sind ihre Grenzen.
- Fazit
Aus sich selbst heraus ist eine Aussage, wonach sich ein Bewegtes weder an dem Ort bewegt, an dem es ist, noch an dem Ort, an dem er nicht ist, nicht zu entscheiden.
Dieser Satz stellt einen Widerspruch in sich selbst, ein Paradox, dar. Dennoch sind die Aussagen Zenons wahr.
Ob sich in einem konkreten Falle eine Änderung des Ortes vollzieht oder nicht, ist mit Zenons Bewegungsparadox nicht gesagt.
Nur ist ebenfalls nicht gesagt, diese Aussage ergäbe keinen Sinn.
[1] Pfeil-Paradoxon – Wikipedia (abgerufen am 18.11.23)
[2] Bewegung (Physik) – Wikipedia (abgerufen am 18.11.23)
[3] Ex falso quodlibet – Wikipedia (abgerufen am 18.11.23)
