Die FAZ zum Ukraine-Krieg
Berlin, 18.August 2024
Sehr geehrte Herren Müller und Veser,
soeben habe ich mich gerade vergewissert, ob das Motto der FAZ, eine „Zeitung für Deutschland“ herausgeben zu wollen, sich geändert hat. Nein, in der gestrigen Samstagsausgabe steht es noch Schwarz auf Weiß.
Nun reibe ich mir nicht nur die müden Augen, sondern versuche zu verstehen, wem folgende Sätze wohl dienen könnten:
1) In den Zeilen ‚Im ungleichen Kampf‘[1] vom Freitag las ich, dass es möglich ist, in der Sprengung von drei Gas-Leitungen, die wir unter dem Namen North stream kennen, „eine völkerrechtlich zulässige Verteidigungshandlung sehen“ zu können.
Der geneigte Leser fragt sich nun, um welchen Wert es bei North stream geht: Laut Wikipedia kosteten die ersten beiden Rohrleitungen 7,4 Milliarden Euro[2], die anderen beiden 9,5 Milliarden[3].
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft informiert uns wiederum darüber, dass die Ukraine sich nicht im Krieg mit Deutschland befindet, sondern im Gegensatz dazu, Deutschland nach den USA der größte nationale Geldgeber für die Ukraine darstellt.[4]
Zwei Fragen, die sich ein Redakteur einer Zeitung stellen muss, die sich Deutschland verpflichtet fühlt, lauten: ist es nicht ein kriegerischer Akt, eine milliardenschwere Pipeline des größten europäischen Verbündeten der Ukraine von ebendieser vor aller Welt in die Luft zu sprengen? Und wenn es kein kriegerischer Akt ist: ist es nicht reine Torheit, den engsten Verbündeten in Europa so schwer zu beschädigen?
- In der zweiten Kolumne ‚Moskaus Spiel mit der Angst‘[5] ist zu lesen, es sei im deutschen Interesse „jetzt schnell mehr Handlungsfreiheit für den Einsatz der gelieferten Waffen gegen Ziele in Russland“ zu unterstützen.
In keinem der Berichte über den Angriff der Ukraine auf das russische Gebiet Kursk ist zu lesen, es gäbe dort nennenswerte oder überhaupt militärische Ziele. Stattdessen ist zu lesen, es ginge Kiew um die Schaffung einer „‘Pufferzone‘“[6].
Der geneigte Leser wird wiederum bei Wikipedia fündig und erfährt von der Panzerschlacht bei Kursk, die damals verloren ging.[7]
Der Redakteur Ihrer Zeitung ist zu fragen, inwieweit es um deutsche Interessen geht, wenn deutsche Panzer in Kursk nach dem Zweiten Weltkrieg erneut russisches Territorium erreichen?
Und inwieweit gleicht die Pufferzone, die Wladimir Putin in der Ukraine errichten will, um sich vor dem vorgeblichen Nationalsozialismus Kiews zu schützen, nicht augenscheinlich der Pufferzone der Ukraine, um sich vor dem vorgeblichen Faschisten Putin zu schützen?
Und drittens: seit wann ist es Aufgabe der FAZ, militärische Winkelzüge zu verteidigen, in welchen augenscheinlich verzweifelte Militärstrategen die Zivilbevölkerung eines anderen Landes in Geiselhaft nehmen?
Menschenskinder: das soll Qualitätsjournalismus sein?
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Stephan Gröne
[1] Neue Enthüllungen: Ist Nord Stream ein legitimes Ziel? (faz.net) (abgerufen am 18.8.24).
[2] Vgl. Nord Stream – Wikipedia (abgerufen am 18.8.24).
[3] Vgl. Nord Stream – Wikipedia (abgerufen am 18.8.24).
[4] Vgl. Ukraine Support Tracker | Kiel Institut (ifw-kiel.de) (abgerufen am 18.8.24).
[5] Krieg gegen die Ukraine: Russlands Spiel mit der Angst (faz.net) (abgerufen am 18.8.24).
[6] Vgl. Region Kursk: Ukraine will „Pufferzone“ errichten – ZDFheute (abgerufen am 18.8.24).
[7] Vgl. Unternehmen Zitadelle – Wikipedia (abgerufen am 18.8.24).
